Neue alte Heimat

Nach mehrjähriger Bauzeit wurde das Burkardushaus, der Sitz der Domschule Würzburg und damit auch von Theologie im Fernkurs, am 30. September 2015 mit einem Festakt feierlich eröffnet. Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, der Hausherr des Burkardushauses, hielt den nachstehenden Festvortrag.

Die Neueröffnung des Burkardushauses - Zu Architektur und Kunst

Sehr verehrte Festversammlung,

„Im Alltag des Christen und der christlichen Gemeinde aber geht es um die Heiligung der Welt und um Weltwerdung des Heiligen. Dem hat kirchliches Bauen ein Zeichen zu setzen abseits jeder falsch verstandenen Sakralität, aber auch abseits jeder falschen 'Verweltlichung' des Heilligen.“ So hat im Jahre 1968 der damalige Bau- und Kunstreferent der Diözese, Prälat Richard Schömig, in der Festschrift „Kirche – Haus der Gemeinde“ treffend und zielgenau 20 Jahre kirchliches Bauen in unserer Diözese umschrieben. Das Zitat schloss damals auch das St. Burkardushaus mit ein.

An kaum einem anderen Ort in unserem Bistum stand und steht die Heiligung der Welt sowie die Weltwerdung des Heiligen so im Zentrum wie hier im Burkardushaus. Bischof Julius Döpfner hat dies dem Haus quasi mit ins Erbgut eingeschrieben. Diözesanbaumeister Hans Schädel war es, der dies dann in den Jahren 1953/54 architektonisch umsetzte. An zentraler Stelle neben dem Dom und damit im Herzen der Stadt dokumentiert allein schon die Wahl des Baugrundes die Bedeutung dieses Hauses für unsere Diözese – damals wie heute. Mehr als ein Jahrzehnt vor der Altarweihe des Domes muss das St. Burkardushaus den Zeitgenossen wie ein radikaler Neuanfang und als ein Symbol der Auferstehung in einer weitgehend noch die Narben des 16. März 1945 tragenden Stadt erschienen sein.

Um den Kreuzgang gruppiert nimmt das Gebäude mit dem Ort die Tradition der alten Domschule auf. Hans Schädel widerstand jedoch der Versuchung, sich mit der Architektur an die romanische Formensprache des Domes oder den spätgotischen Kreuzgang anzupassen. Obwohl er noch wenige Jahre vorher, etwa beim Wiederaufbau der Heidingsfelder Pfarrkirche St. Laurentius, durchaus historisierende Formen aufnahm, ging er hier andere Wege. Das Burkardushaus ordnet sich respektvoll der Baumasse des Domes unter und gibt vom Bruderhof den Blick auf den machtvollen romanischen Bau frei. Die Formensprache des Gebäudes ist dem Repertoire der klassischen Moderne entnommen und daher von einer eleganten Schlichtheit geprägt, die den Räumen einen hellen und lichten Charakter gibt. Dabei ist die Architektur jedoch keineswegs geschichtslos, im Gegenteil: Sie interpretiert diese in zeitgenössischer Formensprache und trägt damit zur Weltwerdung des Heiligen bei. So nehmen die Fenster im Trakt zum Bruderhof den Rhythmus der Pilaster und Fenster des Hauptschiffes des Domes auf. Hans Schädel schuf mit dem Gebäude nach außen hin eine wichtige Komponente im Würzburger Stadtraum.

Aber auch das Innere des Hauses plante Hans Schädel mit der gleichen Sorgfalt, so dass die Besucher lichte und elegante Räume von einer schwungvollen Formensprache empfingen. Die Schönheit des Burkardushauses war und ist durch zahlreiche einzelne Details geprägt. Dies sind die Voraussetzungen, die es bei einer Modernisierung des Gebäudes zu beachten galt. Die Diözese, allen voran der Allgemeine Geistliche Rat, hat sich daher für eine Sanierung des Hauses entschieden, die den erhaltenen Bestand bewahrt und gleichzeitig für unsere Zeit weiter entwickelt. Diese Aufgabe wurde dem Bischöflichen Bauamt unter der Leitung von Cesare Augusto Stefano übertragen. Mit großem Einfühlungsvermögen und überzeugender Ästhetik hat Diözesanbaumeister Stefano die grundsätzliche Renovierung vollendet. 

Bereits bei seiner Erbauung war das St. Burkardushaus – wenn auch sparsam – mit Kunstwerken ausgestattet, die innerhalb der Architektur des Hauses Akzente setzten und Aussagen über den Charakter des Hauses machten. Hier sei die Stahl-Licht-Skulptur von Roland Peter Litzenburger „Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes“ an zentraler Stelle im ehemaligen Foyer hervorgehoben. Das abstrakte Wandbild begrüßte die Eintretenden und machte unmissverständlich klar, dass die Aufgabe des Hauses unter pfingstlichen Vorzeichen steht. Das Kunstwerk gehört zu den reifsten Schöpfungen im Würzburg der 1950er Jahre und wurde daher vor einigen Jahren in einen Ausstellungskatalog zu jener Epoche aufgenommen: „Grazile und leichte Kunstformen antworten auf die transparente und feingliedrige Architektursprache des Diözesanbauamtes“, so die Autorin. Ebenso wie im Exerzitienhaus Himmelspforten sollte auch hier im Burkardushaus durch zeitgenössische Kunstwerke die Geschichte des Hauses fortgeschrieben werden. Die Auswahl und Platzierung der Werke im Haus lag in den Händen des Kunstreferenten der Diözese, Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen.

Die Außenhaut des Burkardushauses wurde bis auf wenige Eingriffe denkmalpflegerisch renoviert und doch bietet sich am Bruderhof ein neuer Eindruck, der sich jedoch in das Gesamtbild des Hauses integriert. Der Außenbereich wurde wieder um einen Pavillon ergänzt, der mit seiner Verkleidung in Travertin zum neuen Eingang im Kopfbau überleitet. Seine vertikalen Gliederungselemente nehmen den Rhythmus der Lisenen des Hauptschiffes des Kiliansdomes auf. Vor dem Haus ist ein Platz entstanden, der durch seine auratische Ruhe den Einzelnen zum Verweilen einladen möchte. Gleichzeitig bietet er auch die Möglichkeit für größere Empfänge. Gerahmt wird er durch zwei Baumreihen sowie die zugeordneten Wasserflächen.

Aufgrund der Verlegung des Einganges näher an den Straßenbereich musste im Kopfbau, den Gustav Heinzmann wenige Jahre nach dem eigentlichen St. Burkardushaus errichtete, eine neue Foyersituation geschaffen werden. Dies ist mithin das wichtigste Ergebnis dieser Sanierung. Die neu angebrachten Lamellen respektieren zum einen den Altbau, sie nehmen aber auch den Rhythmus des Pavillons auf. Sie ermöglichen Blicke in den Stadtraum, schaffen aber gleichzeitig einen geschützten Bereich. Die hinter dem Foyer liegende Treppe ist gewissermaßen eine Spolie, man mag sie auch als ein Zitat bezeichnen. Sie stammt aus der Erbauungszeit und erschließt sämtliche Büroetagen. 

Erwähnen möchte ich hier nur noch das ehemalige Foyer: Es wurde restauriert und ist somit der Raum des Hauses, der die ursprüngliche, leichte Architektur am besten erleben lässt. Der Gang, der das Foyer kreuzt, setzt wiederum mit den freigelegten mittelalterlichen Fenstern und der Tür zum Kreuzgang neue Akzente. Burkardushaus und Dombereich – mit dem Kreuzgang – werden hier unaufdringlich zueinander in Beziehung gesetzt.

Künstlerische Zeugnisse sind in der Geschichte des Menschen so alt wie Äußerungen seiner Religiosität. Beides gehört seither untrennbar zusammen, die Ausstattung unserer diözesanen Häuser mit Kunstwerken, nicht nur zeitgenössischen, ist daher keine bloße Dekoration, sondern führt zum Kern unseres Selbstverständnisses. Bereits der „Vorhof“ des Burkardushauses ist daher durch Kunstwerke akzentuiert. Das Relief von Julius Bausewein schlägt nicht nur die Brücke zum Namensgeber des Hauses, dem Hl. Burkard als erstem Bischof von Würzburg, sondern auch in die Bauzeit des Burkardushauses. Auf dem Platz selbst ist eine eigens für den Ort geschaffene Arbeit des italienischen Künstlers Mimmo Paladino zu finden. Mimmo Paladino gehört zu den profiliertesten Vertretern der italienischen Kunst der Gegenwart. Seine Arbeiten entziehen sich einer vorschnellen Dechiffrierung. Sie suchen vielmehr die Auseinandersetzung mit den Betrachtern, wie auch das Burkardushaus sich ja dem Dialog von Kirche, Gesellschaft und Welt verschrieben hat.

Wie die Heilig-Geist-Skulptur den Auftakt im alten Foyer bildete, tut dies im erneuerten Haus der „Crucifixus I“ von Dietrich Klinge. Das Holzmodell des in Bronze ausgeführten Kreuzes in Stift Haug verweist die Eintretenden auf das zentrale christliche Heilszeichen, unter dem alle Arbeit und Begegnung hier im Hause geschieht. Altes und neues Foyer sind auch durch jeweils eine Arbeit des Schweizer Bildhauers Albert Schilling, der Chor und Vierung des Domes gestaltete, miteinander in Beziehung gesetzt. Gleichzeitig schlagen sie eine Brücke in den Dom und binden somit die Arbeit des Hauses an die Liturgie an. Von vielen hier im Haus vertretenen Künstlern finden sich auch Kunstwerke in Kirchen der Diözese. Beispielhaft sei hierfür der in Italien lebende deutsche Künstler Thomas Lange erwähnt. Er ist dem Kreis der „Jungen Wilden“ an der Akademie der Künste im damaligen West-Berlin entwachsen. Thomas Lange setzt sich in seiner Arbeit immer wieder mit den Anregungen vergangener Epochen auseinander und transformiert diese so für unsere Gegenwart. Hier im Haus ist es vor allem die Auseinandersetzung mit dem Thema des Kreuzes. 

Trifft der Besucher an vielen Stellen des Hauses auf Kunstwerke, nicht zuletzt in den Gästezimmern, so wird sicherlich vor allem das monumentale „Abendmahl II“ von Ben Willikens in Seminarraum 3 nicht nur aufgrund seiner Größe den Betrachter beeindrucken. Das Werk steht in der Nachfolge des großen Werkes, das der Künstler für das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt geschaffen hat. Es zeigt in der für ihn typischen Grisaille-artigen Malerei den menschenleeren Saal des berühmten Abendmahles des Leonardo da Vinci. Die Menschen, die im Saal tagen, haben dieses Kunstwerk vor Augen und können es so mit Leben füllen.

Die Kunstwerke, die hier zu finden sind, sind ein Zeichen für die Offenheit des Hauses. Sie wollen die Menschen sowie deren Arbeit – jenseits aller Sprache – begleiten und inspirieren. 

Ich möchte daher Herrn Diözesanbaumeister Cesare Augusto Stefano, Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen sowie dem Rektor des Hauses, Domkapitular Dr. Helmut Gabel samt allen, die hier in den letzten Jahren für die Erneuerung des Hauses gearbeitet haben, für ihren Einsatz und ihr Engagement danken.

Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche dem Haus zahlreiche Besucher, die sich von seiner Botschaft in Architektur und Kunst anregen lassen.

Herzlichen Dank!

Friedhelm Hofmann, Bischof von Würzburg