Wie alt fühle ich mich und warum lerne ich?

Subjektives Alter im Zusammenhang zu Funktion und Motivation einer Kursteilnahme

Wer sich zu einer Teilnahme an einem Weiterbildungskurs entscheidet, tut dies in der Regel nicht ohne Grund. Eine Kursteilnahme erfüllt dabei für die sich weiterbildenden Personen in der Regel eine oder auch mehrere Funktionen. Darüber hinaus wird die Teilnahme dadurch geprägt, mit welcher Motivation ein Kursbesuch einhergeht. Insbesondere die Art der Motivation ist dafür entscheidend, ob die Weiterbildungsteilnahme als selbst- oder fremdbestimmt wahrgenommen wird. Die Funktion und Motivation der Teilnahme wird im Folgenden zunächst deskriptiv betrachtet. Darüber hinaus wird überprüft, inwiefern das Alter, insbesondere das empfundene subjektive Alter der Teilnehmenden, die Ausprägung der Funktion und Motivation erklären kann.

Im Folgenden wird eine Studie vorgestellt, die sich diesem Thema widmet und hierzu Teilnehmende von „Theologie im Fernkurs – Grundkurs Theologie“ befragt hat.

Fragestellung und Konstrukte

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, wird das Alter als erklärender Faktor herangezogen. Es ist anzunehmen, dass mit dem Alter unterschiedliche Gründe einhergehen, die zu einer Kurswahl und damit zu einer Teilnahme führen. Es ist allerdings hierbei davon auszugehen, dass das Alter, welches in der Regel in Form des chronologischen (d.h. kalendarischen) Alters erfasst wird, im Erwachsenenalter nur noch eingeschränkte Erklärungen liefern kann. Durch heterogene Lebensstile und sich ausdifferenzierende Selbstbilder ist zu erwarten, dass das kalendarische Alter Erwachsener als „Deckvariable“ (Staudinger, 2012, S. 187) zu verstehen ist. Aus dieser Grundlage ergibt sich die Vermutung, dass Erwachsene neben ihrem chronologischen Alter über eine Altersangabe verfügen, die deutlicher mit ihren individuellen Bedürfnissen und Lebensstilen übereinstimmt: das subjektive Alter. Diese Altersvariable lässt sich nicht so leicht erfassen wie das chronologische Alter. Es bedarf der Ausdifferenzierung verschiedener Domänen des subjektiven Alters, um das persönlich empfundene Alter angemessen zu erfassen. Die im Folgenden berichtete Studie teilt das subjektive Alter dazu in einen kognitiven (Aufmerksamkeitsspanne, Gedächtnis, Konzentration) und einen sozial-psychischen Bereich (Freizeitverhalten, Freundschaften, Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignisse, seelische Belastbarkeit, Ausgeglichenheit, Lebensfreude) ein.

Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass ein Kurs für Teilnehmende eine jeweils individuelle Funktionsausprägung einnimmt. Einige Personen nehmen teil, um ihren beruflichen Arbeitsalltag besser zu bewältigen, beruflich aufzusteigen oder Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Diese Teilnahmegründe werden im Folgenden als berufliche Funktion bezeichnet. Anderen wiederum sind vor allem das Lernen in einer Gruppe und der Austausch mit Gleichgesinnten, also die soziale Funktion der Teilnahme, wichtig. Darüber hinaus kann der Kursbesuch dem Wunsch nach neuen Erfahrungen, einer persönlichen Herausforderung oder dem Ausbau eigener Interessen dienen. Der Weiterbildung kommt in diesem Fall eine persönliche Funktion zu. Die Studie hat erfasst, wie ausgeprägt diese drei Funktionen bei den Befragten sind, indem verschiedene Aussagen von diesen auf einer Skala von 1 (stimmt überhaupt nicht) bis 4 (stimmt völlig) eingeschätzt werden sollten. Mittels inferenzstatistischer Auswertungsverfahren wurden diese Funktionen dann mit dem subjektiven Alter in Zusammenhang gebracht.

Neben der Funktion der Teilnahme ergibt sich die Frage, wodurch Personen dazu bewegt werden, an einem Kurs zu partizipieren und mit welcher Motivation die Teilnahme verfolgt wird. Ist der Kurs selbst gewählt oder verpflichtend? Hierzu lässt sich, in Anlehnung an die Selbstbestimmungstheorie der Motivation nach Deci & Ryan (2000), annehmen, dass die Teilnahme entweder vorrangig selbst- oder aber fremdbestimmt erfolgt. Es ist hier entscheidend, ob die Kursteilnahme selbst als Belohnung empfunden wird (intrinsische Motivation) oder deutlich mit den persönlichen Werten übereinstimmt (identifizierte Motivation). In diesen Fällen liegt eine vorrangig selbstbestimmte Motivation vor. Sobald aber die Konsequenzen der Teilnahme, etwa ein beruflicher Aufstieg oder ein Zertifikat, vordergründig bei der Kursteilnahme sind, ist nach der Theorie von extrinsischer Motivation die Rede. Sollten Teilnehmende keinerlei Gründe für den Kursbesuch nennen können (Bsp.-Item: „Ich weiß nicht was die Teilnahme mir bringt.“) ist davon auszugehen, dass Amotivation vorherrscht und somit keine Motivation im engeren Sinne (mehr) vorhanden ist. In Anlehnung an die Selbstbestimmungstheorie der Motivation stellen Sheldon und Elliot (1999) die Hypothese auf, dass mit dem (chronologischen) Alter die Auswahl selbst-konkordanter, also mit den persönlichen Werten übereinstimmender Ziele besser gelingt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Auswahl von Weiterbildungen mit steigendem chronologischem Alter mit einer höheren Selbst-Konkordanz erfolgt. Damit einher geht eine höhere Ausprägung selbstbestimmter Motivation. Die vorliegende Studie berücksichtigt das subjektive Alter, welches bislang nicht auf das Selbst-Konkordanz-Modell bezogen wurde. Es ist aber anhand der bisher vorliegenden Ergebnisse zum chronologischen Alter davon auszugehen, dass auch das subjektive Alter in Zusammenhang zur Selbst-Konkordanz und damit zur selbstbestimmten Motivation steht. 

Wer wurde befragt?

Im Mai 2015 wurden Teilnehmende des Kurses „Theologie im Fernkurs – Grundkurs Theologie“ gebeten, an einer Online-Befragung teilzunehmen. Dabei wurde ein Link zum Fragebogen per E-Mail an diejenigen gerichtet, die sich zwischen Januar 2014 und April 2015 zum Kurs angemeldet haben. Nach Bereinigung der Daten und dem Ausschluss nur geringfügig bearbeiteter Fragebögen, setzt sich die Stichprobe aus 265 Personen zusammen. Die Befragten sind durchschnittlich 46,44 Jahre alt (SD = 10,08), wobei das kognitive (40,82 Jahre; SD = 11,86) und sozial-psychische Alter (40,00 Jahre; SD = 9,76) im Durchschnitt jünger ausfällt. Dieses Ergebnis war anhand des Forschungsstandes so zu erwarten (vgl. Goldsmith & Heiens, 1992; Rubin & Berntsen, 2006). Darüber hinaus sind 51,6 % der Befragten weiblich, 57,2 % haben bereits einen akademischen Abschluss erworben und mit 76,7 % sind über zwei Drittel der Teilnehmenden erwerbstätig. 

Zentrale Befunde

Deskriptive Ergebnisse

Anhand einer vierstufigen Antwortskala (1 = stimmt überhaupt nicht; 2 = stimmt eher nicht; 3 = stimmt eher; 4 = stimmt völlig) haben die Befragten verschiedene Aussagen zur Funktion ihrer Teilnahme eingeschätzt. Neun dieser Aussagen beziehen sich auf die berufliche und jeweils sechs Aussagen auf die persönliche und soziale Funktion. Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die mittleren Ausprägungen der verschiedenen Variablen. 

 

Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Teilnahme am Fernkurs im Durchschnitt vor allem eine hohe persönliche Funktion für die Teilnehmenden einnimmt. Die berufliche Funktion erhält die geringste Zustimmung, knapp darüber findet sich die soziale Funktion. Die soziale Funktion ist insofern auffällig, da es sich um einen Fernkurs handelt, der im Vergleich zu anderen Weiterbildungskursen eher wenige Präsenzzeiten vorsieht. Ein sozialer Austausch im erfassten Sinne ist dabei vor allem in diesen Präsenzzeiten möglich. Eine niedrigere Ausprägung der sozialen Funktion wäre vor diesem Hintergrund nicht überraschend erschienen. Neben der Beschäftigung mit den Lehrbriefen ist die Bedeutung des sozialen Austausches daher auch für den Fernkurs nicht zu vernachlässigen.

Neben der Funktion wurde auch die Motivation untersucht, mit der die Teilnahme einhergeht. Die entsprechenden Mittelwerte sind in Abbildung 2 dargestellt. 

Die durchschnittlichen Ausprägungen zeigen deutlich, dass die Zustimmung zu selbstbestimmten Arten der Motivation bei den Befragten im Kurs überwiegt. Den Aussagen, die der fremdbestimmten extrinsischen oder Amotivation zuzuordnen sind, wird durchschnittlich eher nicht oder überhaupt nicht zugestimmt. Im Mittel stimmt die Teilnahme demnach mit den persönlichen Werten der Befragten überein; sie identifizieren sich mit dem Kurs. Oder sie empfinden sogar die Teilnahme selbst als Belohnung, wobei die Beschäftigung mit den Kursinhalten die Grundlage der Teilnahme darstellt und das Ziel nicht primär durch den Erwerb eines Weiterbildungsabschlusses dargestellt wird.

Ergebnisse zum Zusammenhang von Alter und Weiterbildung

Neben diesen deskriptiven Ergebnissen wurde anhand von Strukturgleichungsmodellen untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung von Funktion und Motivation mit dem chronologischen und/oder subjektiven Alter vorliegt.

Die Ergebnisse dieses inferenzstatistischen Verfahrens zeigen, dass weder die berufliche noch die persönliche Funktion im Zusammenhang zu den Altersvariablen steht. Ein signifikanter und somit überzufälliger Zusammenhang zeigt sich hingegen für die soziale Funktion. Es wird deutlich, dass mit steigendem chronologischem Alter die soziale Funktion der Teilnahme zunimmt. Ältere Befragte empfinden demnach das Lernen in einer Gruppe mit anderen und den Austausch als wichtiger für den Kursbesuch als Jüngere. Gegenteiliges zeigt sich für das sozial-psychische subjektive Alter. Wer sich subjektiv älter fühlt, stimmt der Bedeutung der sozialen Funktion für die Teilnahme weniger zu. Es lässt sich somit zusammenfassen, dass mit steigendem chronologischem und mit nachlassendem subjektivem (sozial-psychischen) Alter die soziale Funktion der Teilnahme an Bedeutung gewinnt.

Die Prüfung der Zusammenhänge der erfassten Motivationsarten zum Alter ergibt für die identifizierte und extrinsische Motivation kein signifikantes Ergebnis. Es zeigt sich aber für die intrinsische Motivation, dass auch hier subjektiv ältere Personen der intrinsischen Motivation signifikant weniger zustimmen. Mit dem chronologischen Alter hingegen geht eine Zunahme an intrinsische Motivation einher. Bei der Betrachtung von Alter und Motivation ist dabei entscheidend, welche Art des Alters betrachtet wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Effekte des subjektiven Alters sich von denen des kalendarischen Alters unterscheiden. Eine jüngere Person, die sich aber subjektiv älter fühlt, zeigt laut der Ergebnisse vermutlich eine geringere intrinsische Motivation als eine ältere Person, die sich subjektiv jünger fühlt.

Die Amotivation zeigt keinen Zusammenhang zum chronologischen Alter. Aber mit steigendem subjektivem Alter geht eine Zunahme an Amotivation einher. Amotivation meint hierbei, dass die teilnehmende Person keinen Grund in der Teilnahme sieht und somit eigentlich keine Motivation für den Kursbesuch vorliegt. Hieraus lässt sich schließen, dass mit dem chronologischen Alter die selbstbestimmte, intrinsische Motivation zunimmt und die Arbeit im Kurs selbst als belohnend empfunden wird. Mit steigendem subjektivem Alter nimmt diese Motivation hingegen signifikant ab und die Bedeutung der Amotivation nimmt überzufällig zu. 

Fazit und Ausblick

Die vorgestellte Arbeit liefert einen der ersten Versuche, die Weiterbildungsteilnahme im Zusammenhang zum subjektiv empfundenen Alter zu untersuchen. Die Befragten des Kurses „Theologie im Fernkurs – Grundkurs Theologie“ liefern mit ihren Angaben eine wichtige Grundlage für die Untersuchung der Fragestellung. Die Befragten zeigen sich im Mittel deutlich selbstbestimmt motiviert und die persönliche Funktion der Teilnahme am Kurs nimmt einen hohen Stellenwert ein. In Bezug auf das subjektive Alter zeigt sich eine, mit dem bisherigen Forschungsstand konforme, im Durchschnitt jüngere Einschätzung des eigenen empfundenen Alters. Des Weiteren nehmen mit dem subjektiven Alter die soziale Funktion der Teilnahme sowie die selbstbestimmte Motivation ab. Für das chronologische Alter ergeben sich gegenteilige Zusammenhänge.

Insgesamt machen die vorliegenden Ergebnisse deutlich, dass dem subjektiven, neben dem chronologischen Alter, eine eigene Erklärkraft zukommt. Es lässt sich aber auch erkennen, dass nicht alle untersuchten Variablen in Zusammenhang zum Alter, insbesondere zum subjektiven Alter, stehen. Auf Grundlage der Arbeit lässt sich schlussfolgern, dass eine Fortentwicklung der Messung des subjektiven Alters angezeigt ist. Hierzu bietet sich etwa eine genauere Betrachtung von Altersbildern und –stereotypen in Bezug auf subjektives Alter an.

Die deskriptiven Ergebnisse machen deutlich, dass die Teilnehmenden von „Theologie im Fernkurs – Grundkurs Theologie“ insbesondere eine persönliche Funktion für ihre Kursteilnahme sehen und die Teilnahme darüber hinaus deutlich selbstbestimmt motiviert erfolgt. 

Alexandra Maßmann

Literatur

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (2000). The "What" and "Why" of goal pursuits: Human needs and the Self-Determination of behavior. Psychological Inquiry, 11 (4), 227–268.

Goldsmith, R. E. & Heiens, R. A. (1992). Subjective age: A test of five hypotheses. The Gerontologist, 32 (3), 312–317.

Maßmann, A. (2018). Weiterbildungsteilnahme und subjektives Alter. Effekte des Alters auf die Motivation zur Teilnahme und Einschätzung von Weiterbildungsveranstaltungen. Veröffentlichung in Vorbereitung, Universität Würzburg.

Rubin, D. C. & Berntsen, D. (2006). People over forty feel 20% younger than their age: Subjective age across the lifespan. Psychonomic Bulletin & Review, 13 (5), 776–780.

Sheldon, K. M. & Elliot, A. J. (1999). Goal striving, need satisfaction and longitudinal well-being: The Self-Concordance Model. Journal of Personality and Social Psychology, 76 (3), 482–497.

Staudinger, U. M. (2012). Fremd- und Selbstbild im Alter. Innen- und Außensicht und einige der Konsequenzen. In Graf Kielmansegg, P. & Häfner, H. (Hrsg.), Alter und Altern. Wirklichkeit und Deutung (S. 187-200). Berlin & Heidelberg: Schneider Verlag.