Glaubenshunger trifft Wissensdurst

Wer widmet sich heute einem Fernstudium der Theologie?

Sie sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, haben Beruf und Familie, stehen mitten im Leben – so beschreibt Thomas Franz, Leiter von "Theologie im Fernkurs" an der Domschule Würzburg die Mehrheit seiner Studierenden. Was bringt diese Männer und Frauen dazu, nicht nur die Mühen eines Fernstudiums auf sich zu nehmen, sondern sich dabei auch noch für katholische Theologie zu entscheiden? In einer Zeit, in der sich nicht nur die Gotteshäuser, sondern auch die theologischen Fakultäten leeren und ein Skandal nach dem anderen die Kirche erschüttert. Franz' Antwort mag da auf den ersten Blick überraschen: "Die Leute wollen mehr vom Glauben wissen."

Seit 1970 mehr als 36.000 Fernkurs-Teilnehmende

Als die deutschen Bischöfe nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Domschule Würzburg damit beauftragten, für alle Diözesen in Deutschland theologische Fernkurse für Laien anzubieten, war die Welt noch eine andere: Laientheologen, besonders Laientheologinnen, galten als absolutes Novum und von Digitalisierung hatte noch niemand etwas gehört. Seit der Eröffnung 1970 haben mehr als 36.000 Frauen und Männer so Theologie studiert. Das Angebot habe sich über die Jahrzehnte bewährt, so Franz. Die durch die staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zertifizierten Kurse des Studiengangs stehen bundesweit allen Interessierten offen und bieten neben einer eLernplattform auch Chatforen und Online-Sprechstunden an, um mit den jährlich etwa 800 Studierenden in Kontakt zu bleiben.

Einer von ihnen ist Reiner Pittinger. Der 36-jährige Softwareentwickler war nach seinem Studium von Süddeutschland nach Berlin gezogen und fand sich plötzlich in der christlichen Diaspora wieder. Oft wurde er nach seinem Glauben gefragt. "Da ging eine Suche los, um noch mehr begründen zu können", sagt Pittinger. Gerade beim Sprechen über den Glauben habe er gemerkt, dass das theologische Wissen fehle. Als er vom Fernkurs hörte, sei es "genau das" gewesen, was er gesucht habe: eine schrittweise Erklärung und Aufarbeitung der Hintergründe.

Der Studiengang gliedert sich in zwei Abschnitte: Der "Grundkurs Theologie" soll wissenschaftlich fundierte Kenntnisse der Theologie vermitteln und zu verantworteter Sprachfähigkeit im christlichen Glauben führen. Im "Aufbaukurs Theologie" geht es vor allem um den gelebten Glauben im Kontext der modernen Welt und eine argumentative Auseinandersetzung mit religiösen Lebensfragen. Es ist keine leichte Aufgabe, pro Kurs 24 Lehrbriefe zu studieren und sich neben beruflichen und familiären Verpflichtungen wöchentlich 10 bis 15 Stunden für den Fernkurs freizuhalten. Unterstützend bieten viele (Erz-)Diözesen von Hamburg bis Passau Arbeitszirkel an, in denen die Studierenden den Stoff mit Referentinnen und Referenten wiederholen und vertiefen können.

Als Pittinger den Grundkurs in Berlin belegte, stand ein solcher regelmäßiger Arbeitszirkel in der Hauptstadt allerdings nicht zur Verfügung. Daraufhin initiierte der Softwareentwickler kurzerhand selbst einen. Über zwei bis drei Jahre habe er sich regelmäßig mit einer knapp zehnköpfigen Lerngruppe getroffen, sagt Pittinger. Das gemeinsame Diskutieren der Lehrbriefe sei eine wichtige Ergänzung zum individuellen Lernen gewesen: "Man muss erst lernen, darüber zu sprechen." Aber nicht nur über Theologie, sondern auch über Privates hätten sie sich austauschen können.

Wegen Diakonen: Männeranteil unter Studierenden gestiegen

Im Gegensatz zum Softwareentwickler streben viele Studierende eine Arbeitsstelle in der Kirche an. "Theologie im Fernkurs" spiele eine wachsende Rolle in der fachlichen Qualifikation kirchlicher Berufe, sagt der Leiter Franz. In den letzten Jahren habe vor allem die Zahl der angehenden Ständigen Diakone zugenommen. Fast alle Diözesen würden sie zur theologischen Ausbildung an den Fernkurs der Domschule Würzburg senden, weshalb der Männeranteil unter den Studierenden angestiegen sei. Hinzu kommen angehende Gemeindereferentinnen und besonders aus den süddeutschen Bistümern Lehrkräfte für den Religionsunterricht.

Diese Entscheidung für Glaube und Kirche teilen die angehenden Hauptamtlichen mit weiteren Studierenden, die katholisch verwurzelt sind. Viele hätten durch ehrenamtliches Engagement in den Gemeinden ihr Interesse an Theologie entdeckt, sagt der Leiter. In dem Fernstudium würden sie mehr über die Entstehungsgeschichte der ihnen bekannten kirchlichen Praxis lernen und ein vertieftes Verständnis für die Hintergründe entwickeln, wie Gemeindeleben stattfindet. Der Fernkurs könne hier bei der Qualifikation von Menschen helfen, die sich noch verstärkter in der Kirche einbringen wollen. Franz spricht von einer "ganz großen Bereitschaft" zum kirchlichen Engagement. So auch bei dem Softwareentwickler Pittinger: "In meiner Freizeit bringe ich mich im Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand ein", erzählt er und fügt hinzu, das sei ja bloß "das Übliche". Außerdem engagiere er sich in einem Gebetskreis junger Erwachsener.

Grundsätzlich steht "Theologie im Fernkurs" auch nicht-katholischen Interessierten offen. Während früher fast alle Studierende aus dem volkskirchlichen Milieu gekommen seien, stellt der Leiter Franz hier einen Wandel fest. Die Gruppe der Teilnehmenden sei heterogener geworden und beinhalte zunehmend sogar Menschen, die vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten seien und nun wieder zurückkommen wollten. Vor allem aus den ostdeutschen Diözesen kämen auch solche, die ohne kirchliche Sozialisation aufgewachsen sind. Diese Studierenden würden sich mit dem Fernkurs besonders intensiv auf ihre Taufe vorbereiten. Ihre Zahl sei im Gesamtbild zwar noch klein, nehme jedoch zu.

Theologisch qualifizierte Laien für Gemeindeleitung gefragt

"Die Studierenden bringen dementsprechend ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit und das macht die Präsenzveranstaltungen spannend", sagt Franz. Bei diesen Tagungen träfe die Vielfalt katholischer Lebenswirklichkeit in Deutschland aufeinander. Es mache einen Unterschied, ob die Teilnehmer aus einem fast noch volkskirchlich geprägten Milieu in Niederbayern kämen oder aus einer ostdeutschen Diözese mit zwei oder drei Prozent Katholikenanteil. "Dann merkt man: Im Osten müssen die vielleicht 40 Kilometer fahren, um zum Gottesdienst zu kommen." Und in Süddeutschland werde schon gejammert, wenn es zwei Kilometer bis zur nächsten Kirche seien. "Das verändert den Blick", sagt Franz.

Der Leiter sieht in den Studierenden, die sich in den Gemeinden engagieren möchten, ein großes Potential, auf das die Kirche zurückgreifen könne – gerade für zukünftige neue Gemeindemodelle. Wenn der Anteil der Hauptamtlichen in den nächsten Jahren stark zurückginge, bedürfe es theologisch qualifizierter Laien, um auch in Leitungspositionen Verantwortung übernehmen zu können. "Die Rolle, die vielleicht für mich da ist, die wird erst noch geschaffen", sagt der Absolvent Pittinger. Er hofft, dass der Papst neue Wege für das Laienapostolat aufzeigen werde. Der Verkündigungsdienst gehe alle Christen an und dabei sei manchmal auch von Vorteil, kein Hauptamtlicher zu sein. Als Laie sei er beruflich unabhängig und darum auf seine Art authentisch. Pittinger ist sich sicher: "Aus dieser Position heraus zu reden ist eine ganz große Chance." Ähnlich zuversichtlich äußert sich der Leiter des Bildungsinstituts: "Auf diese Ressource sollten die Verantwortlichen in den Bistümern nicht verzichten."

Valerie Mitwali/katholisch.de