Rechter Glaube – Recht im Glauben

Der Fernstudienkurs für das theologische Propädeutikum

Das theologische Propädeutikum ist ein auf vier Semester angelegter Kurs. Er vermittelt die theologischen Grundlagen, die für ein Studium des Rechts der römisch-katholischen Kirche, des sogenannten Kanonischen Rechts, nötig sind. Sie lesen hier eine Vorstellung durch Prof. Dr. Thomas Schüller und Johannes Jacob aus Lehrenden- und Studierendenperspektive.

Kirchenrecht ohne Theologie und Theologie ohne Kirchenrecht sind zwei Alternativen, die der Komplexität der Gemeinschaft der katholischen Kirche nicht entsprechen. Oder in anderer Diktion: Eine Rechtskirche gegen eine Liebeskirche und diese gegen eine Rechtskirche auszuspielen, wird der komplexen Realität der römisch-katholischen Kirche über die Jahrhunderte bis heute nicht gerecht. Sie ist eben in der Diktion der Konzilskonstitution über die Kirche in Lumen Gentium 8 eine komplexe Gestalt, in der sichtbare und unsichtbare, rechtliche und geistig-geistliche Dimensionen ineinandergreifen. Von daher ist es für Studierende des sechssemestrigen Lizentiatsstudienganges für Kanonisches Recht in Münster und München, an dessen Ende der Erwerb des Lic.iur.can. steht, der für die Übernahme des kirchlichen Richteramtes qualifiziert, die als zivile Juristen zumindest das 1. Staatsexamen erworben, aber bisher keine Theologie studiert haben, verpflichtend vorgeschrieben, ein theologisch-philosophisches Propädeutikum (TPP) erfolgreich zu absolvieren. Beide Institute im Norden und Süden der Republik sind der Domschule Würzburg mit ihrem Angebot des Theologischen Propädeutikum für angehende Kirchenrechtlerinnen und Kirchenrechtler sehr dankbar, dass sie ein passgenaues Angebot für diese Gruppe von Studierenden entwickelt hat. Einer von ihnen ist Johannes Jacob aus Münster.

Ich stelle mich und meinen Weg kurz vor. Ich bin Johannes Jacob und habe Jura in Münster studiert. Ich habe dabei allerdings nicht nur auf den möglichst raschen Erwerb des Staatsexamens hingearbeitet, sondern mich von vielen der Angebote, die die Uni am Rand des Weges bereithielt, begeistern lassen und wollte möglichst viele Facetten des Fachs kennenlernen. Ich habe mich mit englischem Recht beschäftigt, Politik studiert und Vorlesungen in Islamwissenschaft (zum islamischen Recht) besucht. Ich war während des Studiums und bin bis heute in einem katholischen Jugendverband aktiv, mein Glaube ist mir wichtig. Das bedeutet für mich aber auch den Anspruch, informierter, verstehender und damit kritischer Teil einer Kirche zu sein, die sich in dieser Welt als durchaus fehlbar erwiesen hat. Und irgendwann erfuhr ich mehr durch Zufall vom Lizentiatsstudiengang. Rechtshistorisch stand das Kirchenrecht nicht in einer Nische, sondern galt neben dem weltlichen bzw. gemeinen Recht als eine von zwei Hälften der Rechtswissenschaften – daher der Plural, der bis heute auch in der lateinischen Namen der Disziplin fortklingt: Jura/Rechte (also zwei) statt einfach nur ein Jus/Recht. Ich hatte das Gefühl, dass hier für mich ein paar Dinge zusammenkamen und wollte dieser Tradition meines Fachs intensiver nachspüren. Soviel zu mir, Herr Schüller, wie sah Ihr Werdegang aus?

Meine Liebe zum Kirchenrecht habe ich erst spät in meinem Theologiestudium entdeckt. Eigentlich war ich schon dem Neuen Testament mit einer Arbeit zum Ersten Korintherbrief versprochen, bis ich eine Gastvorlesung eines orthodoxen Theologen und Kirchenrechtlers zum Oikonomiaprinzip hören durfte. Diese Vorlesung und die exzellenten Lehrveranstaltungen meines unvergesslichen Doktorvaters Hubert Müller gaben dann den Ausschlag, eine kirchenrechtliche Doktorarbeit zur Frage der Barmherzigkeit im kirchlichen Recht zu schreiben. Danach schloss sich das Lizentiatsstudium im Kanonischen Recht in Münster an und eine langjährige Tätigkeit als Verwaltungskanonist, Kirchenanwalt (der „Staatsanwalt“ am kirchlichen Gericht) und Bischofsnotar sowie Persönlicher Referent von Bischof Franz Kamphaus an. Über all die langen Jahre in Limburg konnte ich aber weiter in St. Georgen, in Vallendar und in Münster als Lehrbeauftragter lehren, so dass der Faden zur Universität nie abriss. Mit diesem Hintergrund bin ich froh, dass den Juristen im TPP grundlegende theologische Kenntnisse vermittelt werden, denn nur in der wechselseitigen Verschränkung der theologischen Grundlagen und ihren kirchenrechtlichen Konkretionen lernt man die Tiefendimensionen des kirchlichen Rechts besser verstehen. Welche Erfahrungen haben Sie mit den theologischen Kursen, Herr Jacob?

Mein erster Eindruck: Ich habe sehr schnell gemerkt, dass der Kurs, den ich belegt habe, eine Rarität darstellt. Mein Lehrmaterial ist nicht nur querbeet aus Grund- und Aufbaukurs zusammengestellt, sondern wird (Anforderungen aus Rom, theologische und philosophische Grundbildung) zusätzlich um einige spezifische Lehrbriefe. Während der Kurswochen und -wochenenden war ich stets der einzige Student dieses Programms und hatte mir bald für die anderen Teilnehmenden eine Erklärung zurechtgelegt, was ich hier eigentlich mache. Ein bunter Hund war ich scheinbar geworden. Erste Lektion für mich war also: Das Interesse am Kirchenrecht ist auch bei denen, „mehr vom Glauben wissen“ wollen, kein zentraler Punkt. In einen Kurs ging es am Rande kurz um die rechtlichen Feinheiten des Ehesakraments. Ich merkte, dass viele von denen, die mit den Fernkursen ihren Glauben vertiefen oder sich auf einen pastoralen Beruf vorbereiten wollten, von den rigorosen und lieblosen Regeln ziemlich abgeschreckt und teilweise auch abgestoßen waren. Wer sich damit vertieft auseinandersetzen will, ist vielleicht eher ein grauer Hund. Trotzdem wurde ich von allen Mitstudierenden vorbehaltlos akzeptiert. Herr Schüller, welche Wahrnehmung von Kirchenrecht als Disziplin bemerken Sie in Ihrem Umfeld?

Diese Ressentiments vieler Gläubiger gegenüber dem Kirchenrecht sind mir aus meiner beruflichen Praxis als leitender Kirchenrechtler einer deutschen Diözese (Limburg von 1993-2009) und nun als Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster wohl vertraut. Das Kirchenrecht ist nicht selten der Sündenbock und das Ventil für viel Kirchenfrust. Ohne das Kirchenrecht könnten endlich Reformen angestoßen werden ist - so ein unausrottbares Mantra in vielen katholischen Kreisen. Dass viele kirchenrechtliche Normen lehramtlich-theologischen Entscheidungen und einer gutgeheißenen Praxis folgen, d.h. das Recht dem Leben und der Lehre der Kirche folgt („ius sequitur vitam“) wird geflissentlich übersehen. Wer Frauen als Priesterinnen am Altar sehen möchte, der muss nicht am Kirchenrecht Veränderungen vornehmen, sondern zunächst die Lehre ändern. Von daher ist es wichtig, dass im TPP wichtige theologische Grundlagen vermittelt werden. Was haben Sie aus der theologischen Ausbildung mitgenommen, Herr Jacob?

Inhaltlich war mein Kurs über weite Teile den Themen des Grund- und Aufbaukurses entnommen. Quasi nochmal ein Kondensat dessen, was aus dieser facettenreichen Wissenschaft in den anderen Kursen gut ausgewählt und komprimiert vermittelt wird. Mitgenommen habe ich vor allem großen Respekt vor der Komplexität einiger theologischer Disziplinen und an vielen Stellen auch die Lust auf „Mehr“, wo die Lehrbriefe nicht weiter in die Tiefe gehen konnten. Gelohnt hat sich das Propädeutikum für mich, unabhängig davon, wie es weitergeht und ob ich einmal das Lizenziat abschließen werde. Mehr vom Glauben weiß ich jetzt. Auf den Beginn des Kanonistik-Studiums warte ich gespannt. Herr Schüller, welches Fazit ziehen Sie zum TPP und den Leuten, die damit bewaffnet in Ihre Disziplin streben?

Mit dem qualifizierten Angebot des TPP wird interessierten Juristen und Juristinnen ein neben Studium oder Beruf gut bewältigbares theologisches Propädeutikum angeboten, das ihnen wichtige theologische Grundlagen vermittelt, die für das sich anschließende Spezialstudium des kanonischen Rechts wertvolle Dienste leisten und Einsichten vermitteln. Ich bin Dr. Franz und seinem Team sehr dankbar, dass sie dieses Programm aufgelegt und als verlässlicher Kooperationspartner der beiden Institute in Münster und München und der Deutschen Bischofskonferenz fungieren. Herzliche Einladung an alle Interessierten!

 

Thomas Schüller und Johannes Jacob