Warum Menschen mehr vom Glauben wissen wollen

Ein persönlicher Rückblick auf meine Tätigkeit bei Theologie im Fernkurs

 

Am 31. März 2022 war mein letzter Arbeitstag in der Domschule Würzburg. Um 16.37 Uhr ging der Zug Richtung Berlin, wo ich am nächsten Tag die neue Stelle als Referent für Aus- und Fortbildung beim Katholischen Militärbischofsamt antreten sollte. Der letzte Arbeitstag in einem ausgeräumten Büro, um die Mittagszeit mit den anwesenden Kolleginnen und Kollegen ein letztes Glas Wein zum Abschied, ein Gang durch die Flure des Burkardushauses in den Kreuzgang des Würzburger Doms zum Grab von Domkapitular Josef Pretscher, einem der langjährigen Leiter der Domschule und von Theologie im Fernkurs. Dieser Erinnerungsort ist mir und vielen im Team von Theologie im Fernkurs immer wichtig gewesen, zeigt er doch, dass das eigene Wirken in einer langen Tradition steht und am 1. April 2022 selbst einmal Teil der Tradition werden wird.
Ein Abschied ohne Wehmut, die Erwartung, noch einmal für die letzten Berufsjahre eine neue Herausforderung angehen zu können, überwiegt. Ein Abschied in der Hoffnung, für eine geregelte Übergabe genug getan zu haben. Ein Abschied in Dankbarkeit für die Zeit bei Theologie im Fernkurs. Mitte der 1990er-Jahre gab es den ersten Kontakt in Form von Honoraraufträgen. Damals bestand Theologie im Fernkurs schon 25 Jahre, ohne dass ich aktiv davon etwas mitbekommen hatte. Das Handwerkszeug für fernstudiendidaktische Bearbeitungen von Lehrmaterial erlernte ich unter Anleitung von Joachim Herten. Als Studienleiter wurde ich am 1. Oktober 2006 sein Nachfolger und stieg hauptamtlich bei Theologie im Fernkurs ein. Die Kurse hatten nach der Jahrtausendwende, als für Theologie im Fernkurs eine eigene Website eingerichtet wurde, einen richtig guten Lauf. Mehrere Jahre hintereinander gab es allein im Grundkurs jährliche Kursbelegungen von über 1000 Personen. Die Aktualisierung der Lehrmaterialien war voll im Gang.
Ab 1. September 2009 war ich dann für mehr als 12 Jahre als Leiter verantwortlich für die Institution Theologie im Fernkurs. Auch hier überwiegt Dankbarkeit für die nicht immer reibungslose, aber im Ergebnis doch konstruktive Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen im Team von Theologie im Fernkurs. Wie kaum bei einer anderen Stelle war es möglich, Vernetzungen herzustellen, einerseits in die deutschsprachige akademische Theologie, andererseits in die Bildungs- und Ausbildungsabteilungen aller deutschen Diözesen. Nicht nur die fachliche Bandbreite der wissenschaftlichen Theologen und Theologinnen, sondern auch die unterschiedlich geprägten Mentalitäten in den deutschen Diözesen machten meine Leitungstätigkeit so faszinierend. Die wenigen auftretenden Konflikte ließen sich nach meiner Einschätzung rückwirkend betrachtet in gegenseitigem Einvernehmen lösen.
Am beeindruckendsten bleibt für mich die hohe Anzahl an Männern und Frauen, die, weil sie mehr vom Glauben wissen wollten, sich auf einen theologischen Lernprozess eingelassen haben: Fromme, kirchlich Gebundene und Ungebundene, Suchende, Fragende, Zweifelnde. In Gesprächen wurden die ganz unterschiedliche Motivationslagen deutlich: Da gab es diejenigen, die ein kirchliches Amt bzw. einen kirchlichen Beruf anstrebten, diejenigen, die ihr ehrenamtliches Engagement unterfüttern wollten oder diejenigen, die aufgrund einer persönlichen Lebenssituation sich neu religiösen Fragen stellten. Nach meiner Einschätzung sind die existentiellen und intellektuellen Herausforderungen, denen sich Fernstudierenden bei einem solchen theologischen Bildungsprozess stellen müssen, von der überwiegenden Mehrzahl meistens gut gemeistert worden. Dass der Spagat zwischen den theologischen Erkenntnissen und der erlebten kirchlichen Praxis von manchen nicht überwunden werden konnte, lässt sich nicht ausblenden. Zu meinen Erfahrungen gehört auch, dass sich nach einem Studienwochenende jemand meldete, der für sich die Entscheidung zum Kirchenaustritt getroffen hatte. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden hat die Theologie nicht als Gefahr oder Verwirrung, sondern als Vertiefung und Bereicherung der eigenen Glaubenspraxis im Raum der Kirche erfahren.
Das elementarisierte theologische Wissen, das über die Kurse von Theologie im Fernkurs vermittelt wird, gibt die Standards der deutschsprachigen Theologie wieder. Wie wenig von diesen theologischen Basics letztlich flächendeckend in den Gemeinden vorhanden ist, hat mich immer wieder ratlos werden lassen. Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil festgelegte Rolle der Gläubigen bei der Weitergabe des Glaubens und die Vermittlung der dafür erforderlichen theologischen Bildung in den Gemeinden vor Ort ist in den letzten Jahrzehnten trotz der starken Hauptamtlichkeit in der Kirche aus meiner Sicht nicht gelungen. Das Staunen in den Gesichtern von Teilnehmenden über theologische Erkenntnisse, die eigentlich seit Jahrzehnten zum selbstverständlichen Repertoire in den Gemeinden gehören sollten, hat den Erwachsenenbildner in mir zwar gefreut. Im Blick auf die Frage, wie es denn mit der Glaubenskommunikation oder gar Glaubensweitergabe zukünftig angesichts geringer werdender hauptamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestellt sein wird, hat sich bei mir immer wieder Ernüchterung breit gemacht. Die Fernstudierenden, die durch die Kurse von Theologie im Fernkurs ermächtigt werden, verantwortliche Subjekte des kirchlichen Glaubens zu sein, haben ein hohes Potenzial. Die durch die theologische Bildung bei Theologie im Fernkurs vermittelte Autorität, Rede und Antwort zu geben (vgl. 1 Petr 3,15), wurde in der Vergangenheit von den Verantwortungsträgern nicht immer adäquat wahrgenommen.
In diesem Zusammenhang habe ich mich auch über einzelnen Personalentscheidungen in den Diözesen der vergangenen Jahre, Personen für kirchliche Ämter und Dienste zuzulassen oder abzulehnen, gewundert.
Wenige Monate nach Beginn meiner Leitungstätigkeit stand das 40-jährige Jubiläum von Theologie im Fernkurs 2010 an. Dieses wurde überschattet vom aufkommenden Missbrauchsskandal, 2021 konnte das aufgrund der Corona-Pandemie verschobene 50-jährige Jubiläum in kleinem Rahmen gefeiert werden, immer noch überschattet vom Missbrauch und anderer Skandale in der Kirche. Die Auswirkungen auf die Anmeldezahlen konnten im letzten Jahrzehnt, vielleicht auch durch die ab 2015 beginnenden Bemühungen um die Digitalisierung der Studienangebots, bisher einigermaßen in Schach gehalten werden. Umso beeindruckender ist es, dass sich unter den Fernstudierenden der letzten Jahre auch Personen befunden haben, die selbst Betroffene des Missbrauchs in der Kirche gewesen sind und dennoch mehr vom Glauben wissen wollten. Für die vielen ernsten und heiteren Begegnungen und Gespräche mit den Fernstudierenden in den vergangenen 15 Jahren, für die bunte Vielfalt in der Kirche, die darin zum Ausdruck gekommen ist, sage ich Danke und Vergelt`s Gott.
Zu den Fernkursjubiläen wurde immer wieder betont, welchen Schatz die Kirche in Deutschland an Theologie im Fernkurs hat. Ich wünsche mir für die Zukunft von Theologie im Fernkurs, dass die bischöflichen Verantwortungsträger diesen Schatz nicht nur in Festreden beschwören, sondern auch auf den unterschiedlichsten Ebenen strukturell hegen und pflegen.
Dem jetzigen Leiter von Theologie im Fernkurs, Dr. Stefan Meyer-Ahlen, und dem ganzen Team wünsche ich viel Freude und Gewinn in der Arbeit für und mit den Fernstudierenden.
Für mich persönlich wird es Freude und Gewinn sein, dass zu meinem neuen Aufgabenfeld in der Katholischen Militärseelsorge die Durchführung eines Begleitkurses zum Grundkurs Theologie gehört, um den Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfern bei ihrer Ausbildung zu vermitteln, welchen Spaß es machen kann, mehr vom Glauben wissen zu wollen.

Thomas Franz