Weggemeinschaft (nicht nur) im digitalen Raum

Ludwig Martin Jetschke aus Würzburg wurde durch seine Orgel- und Musiktheorievideos auf YouTube bekannt und begründete die Christliche Online-Community „Lingualpfeife“, die schon lange vor der Corona-Pandemie begonnen hat, sich über digitale Kanäle zu vernetzen und Gottesdienst zu feiern. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Kann man Liturgie, die von der tätigen Teilnahme der Gläubigen und der Gottesbegegnung in Gemeinschaft lebt, überhaupt digitalisieren? Mit Studienleiter Dr. Daniel Greb hat Ludwig Martin Jetschke über die Community und ihre Erfahrungen mit Liturgie im digitalen Raum gesprochen.

Greb: Zunächst bitte ich um eine kurze Aufklärung: Wer oder was ist eigentlich die „Lingualpfeife“?

Jetschke: Das ist mit Abstand die meistgestellte Frage der letzten zehn Jahre – aber natürlich völlig berechtigt! Eine Lingualpfeife ist zunächst einfach eine Zungenpfeife an der Orgel, also eigentlich ein Oberbegriff zu Registern, die besonders viel "Krach machen" – ich muss auch gestehen: Ich mag sie sehr gern. Vor ca. 15 Jahren habe ich mir diesen Namen auf YouTube gegeben. Da musste man bei der Anmeldung etwas eingeben und ich dachte mir: Was klingt möglichst kompliziert und hat mit Orgel zu tun? Und so kam es zu dem Namen, ohne dass es eine inhaltliche Bedeutung hatte. Dass es einmal zu einem Markenzeichen werden würde, habe ich damals wahrlich nicht abschätzen können.

Greb: Wie ging es mit diesem YouTube-Kanal dann weiter?

Jetschke: Über Jahre habe ich damit gar nichts gemacht. Später habe ich dann eine Digitalkamera geschenkt bekommen und einfach einmal probiert, was die so kann, und sie auch in die Kirche mitgenommen und aufgestellt. Ich war überrascht, weil die Qualität sehr hoch war: guter Klang und hervorragendes Bild. Dann habe ich mitgeschnitten und die Idee gehabt, diese Mitschnitte hochzuladen und mal zu schauen, was passiert. So wurde aus einem sehr unbedarften Projekt oder eigentlich nur einer Laune der Situation plötzlich etwas ziemlich Großes, weil dann vor allem mit der Einführung des neuen Gotteslobs deutlich wurde, dass Bedarf ist, Kirchenlieder und das neue Gotteslob kennenzulernen. Da war ich vielleicht einfach nur zum richtigen Moment an der richtigen Stelle, habe das aufgegriffen und plötzlich ging es ab: Die erste Million war voll, die zweite Million war voll und jetzt sind es fast 25 Millionen Views und über 22.000 Abos.

Greb: Wann und wie wurde dann aus diesem Ein-Mann-Projekt die Christliche Online-Community „Lingualpfeife“?

Jetschke: Die erste entscheidende Wegmarke war 2017, als das Projekt Lingualpfeife schon so wahnsinnig groß geworden war, dass es allein nicht mehr zu händeln war. Auf YouTube kamen unglaublich viele Rückmeldungen wie: Ich habe eigentlich nur ein Lied gesucht und jetzt habe ich plötzlich in den Kommentaren oder über Tutorials Antworten in Glaubensfragen bekommen. Oder: Ich bin eigentlich auf der Suche nach Orientierung und Sinn, habe vielleicht längst die Kirche verlassen, merke aber irgendwie, mir fehlt etwas. Oder: Ich war nie in der Kirche, merke aber, andere haben da etwas. Bis hin zu: Ich ringe mit der Frage, ob ich ins Priesterseminar eintreten soll. Diese niederschwellige Diskussion über YouTube, über Livestreams, über Erklärvideos oder einfach ganz banal über Orgelvideos – da war schnell klar: Hier ist mehr zu geben als reiner Input.

Die nächste Stufe war natürlich, wenn sich so viele Leute melden, die einen entsprechenden Benefit hatten, dass man schnell an der Grenze zur Seelsorge war. Man kann diese Informationen nicht einfach im Raum stehen lassen. Wenn Leute mit Angsterkrankungen oder ähnlichem geschrieben haben, dass es ihnen so guttut, kann man auch nicht einfach nur antworten: „Schön, dass es dir guttut. Mit freundlichen Grüßen“. Da muss dann ja noch irgendetwas kommen. Und da habe ich 2017 gemerkt, dass es allein nicht mehr zu stemmen ist und ich, wenn es so weiter geht, mein Studium nicht mehr zu Ende bringen werde. Daher habe ich erst einmal eine Pause gemacht und dann gesagt: Wenn es euch allen so wichtig ist, seid ihr am Zug und müsst überlegen, wie wir weiterkommen, ohne dass ich mich durch die Mühle jagen lasse. So haben sich tatsächlich viele Freiwillige gemeldet, sodass wir ein Team zusammenbekommen haben, das zunächst mal alle liegengebliebenen Mails beantwortet hat. Dann haben wir überlegt, wie wir uns neu aufstellen können und die Sache hat sich eigentlich relativ schnell in WhatsApp-Gruppen verlagert. Dort hat das Ganze eine richtige Dynamik bekommen mit ca. 600–700 Abonnenten zu Spitzenzeiten in diesen Gruppen bzw. im Broadcast-System, wo man News auf das Handy bekommen hat. Letztlich sind wir aus Gründen des Datenschutzes und weil WhatsApp seinen Broadcast-Dienst eingestellt hat, auf Discord gelandet, was zwar gut eingerichtet ist und funktioniert, es Einsteigern aber recht schwierig macht. So sind wir nun zwar sicher unterwegs, die Userzahlen aus WhatsApp-Zeiten bleiben jedoch unerreicht.

Greb: Ihr nennt euch „Christliche Online-Commuity“. Du selbst bist in der Katholischen Kirche beheimatet. Wie sieht das Profil der Community aus?

Jetschke: „Christlich“ ergibt sich ganz einfach deswegen, weil sich das Internet denkbar schlecht eignet, um Konfessions- oder Pfarreigrenzen aufzuziehen. Eigentlich muss man mit den Menschen unterwegs sein, die sagen, sie wollen diesen Weg auf dieser Plattform mitgehen. Und das ist dann einfach so bunt wie es ist. Durch die Vorprägung war es immer so, dass zwei Drittel katholisch waren und dass daher auch die ganze Grundstruktur kommt, was z.B. digitale Gebetszeiten angeht, die nach der katholischen Leseordnung funktionieren. Aber es gab auch immer wieder evangelische Andachten, wenn sie aus den Reihen derer, denen das ein Anliegen war, gestemmt wurden. Das ist das Grundprinzip: Es gibt das, was den Menschen ein Anliegen ist und wofür sie bereit sind, Zeit und Energie zu investieren. Von daher hat sich nie die Frage gestellt, ob man es auf den katholischen Bereich verengt, weil man dann eine Minderheit hätte verprellen müssen. Trotzdem bietet das katholische Profil z.B. beim Stundengebet den Vorteil, dass die Texte durch die Stundenbuch-App digital erschlossen sind. Da ist die Universalität des Katholischen in dieser Hinsicht einfach – ganz banal – praktisch.

Greb: Welcher Leitgedanke steht hinter der Community?

Jetschke: Die Idee dahinter ist, Weggemeinschaft zu sein, christlichen Alltag miteinander zu teilen, vor allem vor dem Hintergrund, wenn Leute in ihren Orten, an denen sie leben, diesen Alltag nicht mehr erfahren, weil sie zum Beispiel weit und breit die einzigen Jugendlichen sind, die noch ministrieren oder sich überhaupt interessieren. Wir hatten auch die Situation im Krankenhaus am Krankenbett, dass jemand vor einer lebensentscheidenden OP stand und man mit dem nachts um 2:00 Uhr noch gechattet hat. Das war eine extrem wertvolle Erfahrung, weil weder telefonieren geht, da er einen Bettnachbarn hat, und besuchen auch schwierig ist um diese Zeit.

Greb: Wie ist das digitale Miteinander auf Discord organisiert?

Jetschke: Es ist letztlich ein Netz: Durch den Tag gemeinsam gehen, sich auch über Alltägliches austauschen oder auch Memes herumschicken. Da ist die berühmte „Labergruppe“, in der immer alles erlaubt war. Dann gibt es einen Themenraum, wo man jetzt z.B. zum Katholikentag, zum Synodalen Weg oder was eben gerade ansteht, schreiben kann. Es gibt einen Raum für Liturgie. Außerdem gibt es die Gebetsräume, etwa für ein schriftliches immerwährendes Gebet. Das bedeutet, dass Gebete schriftlich fortgesetzt werden: Einer schreibt „Vater unser im Himmel“, der nächste „geheiligt werde dein Name“ usw. Darüber kann etwa auch ein Anliegen stehen, häufig aus der Community. Als wir zu Spitzenzeiten einige Hundert waren, kann man natürlich hochrechnen, wie oft im Bekannten- oder Verwandtenkontext Schicksalsschläge geschehen. Da sehr nah dran zu sein und eben auch das Gebet für die Betroffenen mitzutragen, hat vielen sehr geholfen. Und dann wird natürlich auch digital zusammengeschaltet über die Audiokanäle gebetet, etwa abends die Vesper [das kirchliche Abendgebet; Anm. d. Red] und die Komplet, das kirchliche Nachtgebet.

Greb: Du hast das gemeinsame Beten von Vesper und Komplet über digitale Kanäle gerade angesprochen: Die „Lingualpfeife“-Community hat schon vor Corona damit begonnen. Wie kam es dazu?

Jetschke: Im Livestream auf YouTube habe ich eines Tages über das Stundengebet gesprochen und den Vorschlag gemacht, die Fastenzeit einmal bewusst mit dem – klassisch analogen – Stundengebet zu gestalten, um so in einem engen Takt auf Ostern hinzugehen. Und dann kam natürlich die banale Frage: Ja, wie geht denn das? Für diejenigen, die es interessiert hat, habe ich dann in einer Videokonferenz alles erklärt und dachte, damit bin ich frei und fertig. Dann kam aber die Frage: Können wir das jetzt einmal – auf digitalem Weg – machen? Und da stand ich erst einmal für mich selbst vor der Frage: Geht das? [lacht] – Und dann musste ich erst einmal überlegen und dachte: Warum eigentlich nicht!?

Greb: Und, ging das auf Anhieb? Wie wurde das Format angenommen?

Jetschke: Es gab ein paar Folgeprobleme, die gelöst werden mussten. So ist es in allen Sprachkanälen so, dass immer nur einer sprechen kann. Du kannst nicht sagen: Alle machen die Mikrofone auf und sind die Gemeinde. Die erste Erkenntnis war also, dass wir jemanden brauchen, der stellvertretend für alle die Anteile der Gemeinde spricht. Dann verschiebt sich aber schon wieder das ganze Konzept, weil der Charakter sich ändert. Dann kommen Fragen wie: Wer spricht die Antiphon vor, wer spricht sie nach, wer ist Gemeinde, wer ist Vorbeter? Wie ist es, wenn zwei, drei oder vier Personen vorbeten? Oft genug war auch Stille und unklar, wer weitermachen muss. Dann hat sich das tatsächlich so etabliert, dass wir die Gebete auch auf YouTube live übertragen haben und man sich dort zum Mitbeten einklinken konnte. Im ersten Lockdown 2020 haben wir dann ein fantastisches Triduum [die Feier der drei österlichen Tage von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi; Anm. d. Red.] über Discord gefeiert, was meine bewegendste digitale Erfahrung war.

Greb: Lässt sich denn ein Gottesdienst so einfach aus dem Gotteshaus ins Internet übersetzen? Wie kann man so „zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern“ (Sacrosanctum Concilium 14) gelangen? Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht?

Jetschke: Kirche hat sich im Lockdown schnell auf so einen eigenen Modus eingerichtet, der im Wesentlichen daraus bestand: Wir übertragen den Gottesdienst im Netz, geben einen Link heraus und damit ist unsere Schuldigkeit getan. Wenn es das ist, dann sind wir vor Sacrosanctum Concilium vollständig durchgefallen. Dass das die Domkirchen machen, ist absolut wichtig und richtig. Aber man darf das nicht verwechseln und meinen, dass das schon Liturgie wäre im engeren Sinn – im weiteren mit Sicherheit, aber es ist defizitär. Der Unterschied zu dem, was wir gemacht haben, ist, dass wir die Rollen verteilt haben. Das heißt: Es war nicht einfach so, dass wir uns reinklicken, Pfarrer XY den Gründonnerstag zelebriert und wir ihm zuhören, sondern wir haben die Dienste aufgeteilt wie in jedem normalen Gottesdienst auch. Wir hatten einen Kantor, soweit es ging auch jemanden, der Klavier gespielt hat, wir hatten Lektoren, sogar einen Diakon. Wenn jemand an der Reihe war, hat er seinen Channel laut gestellt und seine Textpassage gelesen. Gemeinsames Singen ist schwierig, weil das nicht alle gleichzeitig können, aber dann hat eben einer gesungen und die anderen haben für sich mitgesungen. Beim ersten Onlinegottesdienst fand ich es sehr bewegend, als der Diakon, der in Bamberg saß, vor dem Evangelium gesagt hat, „Ich bitte um den Segen“, und dann der Priester aus Augsburg sein Mikro angemacht und den Segen gesprochen hat. Da merkt man, es bekommt schon allein dadurch einen anderen Charakter, dass Interaktion ist. Daran, dass ein zweiter Priester dabei war, der etwa die Predigt gehalten hat und in Hildesheim saß, hat man dann sehr schön gemerkt, dass wir wirklich im besten Sinne auch als Gemeinde versammelt sind. Und so war da ziemlich viel Partizipation, spätestens bei den Fürbitten: Die hatten wir in der Regel immer offen gestaltet, das heißt, es konnte jeder das Mikro einschalten und seine Bitte vortragen. Bei der Ölbergandacht am Gründonnerstag haben wir das Taizé-Lied „Bleibet hier und wachet mit mir“ in der Weise gesungen, dass jeder sich einmal laut stellen konnte, um die Strophe zu singen. Zur Kreuzverehrung am Karfreitag haben wir Fotos verschickt von einem Kreuz, das nach und nach enthüllt wurde. So haben wir dann die Dinge adaptiert. Natürlich gibt es auch Grenzen: Beim Entzünden der Osterkerze können wir kein physisches Licht weitergeben, aber wir können den Segen sprechen und das Licht für uns anzünden und uns in diesen Segen stellen.

Aber die spannende Frage, was Liturgie ist und was nicht, wäre ein echter wissenschaftlicher Punkt, den man ausdiskutieren müsste. Auf evangelischer Seite passiert das schon sehr stark. Da habe ich auch an etlichen digitalen Diskussionsrunden teilgenommen, wo man etwa die Frage diskutiert hat, ob man ein digitales Abendmahl feiern kann. Ich glaube, digitale Theologie und digitale Liturgie wäre ein spannendes Forschungsprojekt, an dem man substantiell arbeiten müsste. So war es ja auch in der Alten Kirche: Die Frage nach den Naturen Christi war geklärt und dann kam die Monotheletenfrage usw. Es kommt eine Frage nach der anderen, wie sie sich aufdrängt, und dann wird sie in dieser Zeit beantwortet. Und jetzt stünde Digitalität auf dem Programm, also müssen wir mit heutiger Theologie Antworten formulieren.

Greb: Wie sieht die Situation der Community heute aus?

Jetschke: Momentan läuft der Serverbetrieb an der Untergrenze. Es gibt die Gebetszeiten, aber die große Regelmäßigkeit von früher haben wir momentan nicht mehr. Ich glaube, dass ist auch die Folge daraus, dass das, was 2017–2020 die große Entdeckungstour war – „Was können wir mit dem Internet machen?“ –, dann während der Lockdowns zu einer Art Overload geführt hat, sodass heute alle dessen überdrüssig sind. Deswegen ist momentan der Bedarf, digital zu beten, nicht so fürchterlich hoch. Aber umso mehr zähle ich darauf, dass sich die Dinge normalisieren und wir uns 2023 wieder einmal in größerem Rahmen als Community treffen und auf dieser direkten Ebene wieder Dinge starten können. Das ist der zweite Teil unseres Konzepts: Nur digital reicht nicht. Die Erfahrung ist völlig klar: Man bleibt an einem Punkt stehen, wo die persönliche, unmittelbare Begegnung unvermeidlich wird. Und die kann dann wiederum der Kit sein, um über das nächste halbe Jahr zu kommen, aber dann muss es wieder diese Connectionpoints geben. Und da hatten wir schon 3–4 wunderbare Treffen, die wirklich diese Kraft hatten, Oasenmomente zu sein, um so einen Tank zu füllen.

Greb: Gibt es auch Ideen, wie man die analoge, im Gotteshaus gefeierte Liturgie durch digitale Elemente anreichern könnte?

Jetschke: Das war eigentlich auch unser Endkonzept, dass wir analoge Treffen haben, die immer auch digital gespiegelt werden. Und dann hat man genau diesen Punkt: Wir feiern ein analoges Wochenende gemeinsam, auch mit vielen Gottesdiensten – das gibt es alles online noch anzuschauen –, und das, was wir machen, egal ob Gottesdienst oder Workshop, wird digital über entsprechende Kanäle nach außen gespiegelt und Leute können partizipieren. Das heißt dann zum Beispiel für den Gottesdienst, dass parallel jemand im Chat ist, der die Leute bedient, die schreiben, und dass die Fürbittanliegen, die digital eingebracht werden, auch im analogen Gottesdienst landen und genauso vorgetragen werden wie alle anderen. Dafür muss man flexibel sein und sich darauf einlassen, aber dann kann man auch die Partizipation nach außen wieder erweitern. Bei der Eucharistiefeier sind solche Elemente natürlich begrenzt, bei freieren Formen oder beim Stundengebet wäre es aber auch denkbar, dass Leute von außen mit vorbeten und der Gemeindeteil von der im Raum versammelten Gruppe übernommen wird.

Greb: Welche Chancen siehst du generell in digitalen liturgischen Angeboten?

Jetschke: Any time, any place. Das ist eigentlich der Hauptpunkt. Das Smartphone haben die Leute schon in der Tasche und das kann ich mir zunutze machen. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt. Es gibt jederzeit Andockmöglichkeiten und näher komme ich dann nicht mehr ran. Wenn ich da dran bin, bin ich bei den Leuten und gehe mit ihnen mit.

Greb: Wo sind der Liturgie im digitalen Raum Grenzen gesetzt?

Jetschke: Ich glaube, bei der Sakramentenspendung geht es einfach nicht digital. Eine digitale Taufe oder so etwas ist für mich nicht vorstellbar. Ich wüsste auch nicht, ob ich mich digital ordinieren lassen wollte, wie das eine Freikirche in den USA jüngst praktiziert hat. Bei Sakramentalien hinwiederum – ich weiß nicht; kann ich Wasser weihen über Discord? Das wäre eine Frage für digitale Theologie. Man müsste wissenschaftlich wirklich einmal eine Tiefenbohrung machen.

Greb: Wie sieht Deine Vision für die Zukunft aus? Wie könnte das ideale Verhältnis von digitalen zu analogen Elementen im Bereich der Liturgie gestaltet sein?

Jetschke: Wenn wir im katholischen Schlaraffenland leben würden, und überall Vollbesetzung, blühende Jugendarbeit, Kirchenchöre usw. hätten, dann würde sich die Frage gar nicht stellen. Dann würde ich sagen: Es ist Dienstagabend und ich würde gerne in die Vesper gehen und ich gehe in die Gemeinde, die 400m entfernt ist, und da ist die Kirche voll und die Vesper wird gesungen. Und vier Stunden später das Gleiche noch einmal bei der Komplet. Das wird wahrscheinlich so auf absehbare Zeit nicht stattfinden. Digital geht das aber sehr wohl. Da ist genau das letztendlich der Weg. Und ich glaube, ganz schön ist, wenn es dieses digitale Angebot gibt, wo ich mich any time any place einklinken kann, wo es aber auch Verbindungen gibt, um sich analog zu connecten. Deshalb war mein ursprünglicher Gedanke, worüber ich auch meine Zulassungsarbeit an der Universität geschrieben habe, dass jedes Bistum eine digitale Pfarrei unterhält. Das hätte ich gerne aufgebaut: Es gibt eine Kirche und Begegnungsräume, die ausgestattet werden mit Kameras, Tontechnik etc. Dort findet analog Gottesdienst statt, der aber auch digital rückgekoppelt ist, wo zum Beispiel so etwas möglich wäre, dass Leute auch digital Parts übernehmen um mitzubeten. Anschließend findet Begegnung statt, die aber auch noch einmal gekoppelt ist über einen Livestream etc. So wird genau diese Scharnierstelle geschaffen: Einerseits kann ich mich überall digital einklinken, habe aber – wenn es so etwas in jedem Bistum gibt – auch die Möglichkeit, in maximal einer Stunde an so einem Hotspot zu sein. Und dann kann ich mir überlegen: Ich gehe da liturgisch mit durch das Jahr und sage jetzt, an dem Wochenende passt es mir gut, ich mache mich auf den Weg, klinke mich analog dort ein. Ich kenne die Leute ja schon, sie kennen auch mich. Es gibt idealerweise auch günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Ich bringe mich da ein, vielleicht in einem Projektchor, als Lektorin oder als Ministrant, besuche verschiedene Workshops. Dann bin ich dort in diesem Hotspot, tanke auf, und dann gehe ich wieder digital meiner Wege. Egal, ob ich das alle zwei Wochen, alle vier oder acht Wochen mache oder einfach nur digital dabei bin: Ich bin immer eingebunden in ein größeres Ganzes und nehme meine Pfarrei oder Gemeinde mit, auch wenn ich umziehe. So glaube ich, könnte man Lücken füllen.

Greb: Vielen Dank für das Interview und die spannenden Eindrücke und Impulse aus Eurer Arbeit!