Buchempfehlung "Kirche, die aus sich herausgeht"

Stefan Silber: Kirche, die aus sich herausgeht. Auf dem Weg zur pastoralen Umkehr, Würzburg (Echter) 2018, 288 Seiten; ISBN 978-3-429-05325-3; 19,90 €

Die Kirche in Deutschland befindet sich in einem gravierenden Umstrukturierungsprozess. In welche Richtung soll es gehen? Welche theologischen Leitlinien sind hier zukunftsweisend? Was kann die Kirche in Deutschland gegebenenfalls von anderen Kirchen auf anderen Kontinenten lernen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich dieses Buch und macht das Wort von Papst Franziskus aus der Enzyklika Evangelii Gaudium von der „Pastoralen Umkehr“ zu seinem Leitmotiv.

Der Autor, Stefan Silber, seit diesem Wintersemester 2018/2019 Professor für Didaktik der Theologie mit Schwerpunkt Systematische Theologie im Fernstudium Religionspädagogik an der KatHO in Paderborn (siehe dazu Religionspädagogik goes Cyberspace in dieser Ausgabe), hat hier seine unterschiedlichen Arbeiten der letzten Jahre zu diesem ekklesiologischen Themenfeld in einem höchst lesenswerten Buch zusammengestellt und systematisch gebündelt. Die Struktur des Buches folgt dem Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln.

Teil I „In welcher Welt?“ behandelt im Rahmen des Schritts "Sehen" zum einen den allseits bekannten gesellschaftlichen Wandel in unseren Breiten, zum anderen das Phänomen der Megastädte in Lateinamerika. Mit diesen gesellschaftlichen Prozessen stellt sich für die Kirche hier wie dort die Frage nach ihrer Zukunft. Diese hat angesichts der Umstrukturierungsprozesse bereits begonnen und die Kirche steckt mitten drin. Vom Autor wird mit markanten Formulierungen aus den Texten des Pontifikats von Papst Franziskus unterstrichen, wie die Zukunft der Kirche aussehen könnte.

Der zweite Schritt „Urteilen“ hat die beiden Teile „Kirche der Laien“ und „Kirche der Armen“ zum Thema. In Teil II wird ausgehend von der Volk-Gottes-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils deren Weiterführung in Lateinamerika und deren aktuelle Formen in Europa, die unter dem Stichwort „Flüssige Formen“ diskutiert werden, vorgestellt. Teil III thematisiert den sog. Katakombenpakt, der auf dem letzten Konzil für eine Kirche der Armen geschlossen worden ist, zeigt mit Dom Helder Camara einen der profiliertesten Vertreter dieses Paktes auf und verdeutlicht, wie die Kirche der Armen mit dem Pontifikat von Papst Franziskus wieder ins Zentrum der Ekklesiologie gerückt ist.

„Was die Kirche von der Welt erwarten kann“ lautet die Überschrift über den Teil IV zum dritten Schritt „Handeln“. In fünf ganz unterschiedlichen Bereichen unternimmt es Silber, Zugänge zur Botschaft des Evangeliums für die Menschen und die Welt von heute zu ermöglichen. Da geht es um eine glaubwürdige Theologie für eine säkulare Gesellschaft, in der Sprechen von Gott gottlos sein müsste, um wirklich zutreffend zu sein. In einem nächsten Punkt wird der andine Begriff des „guten Lebens“ (Sumay kausay) als ein Versuch diskutiert, die Botschaft Jesu in Lateinamerika zu inkulturieren, ohne gleichzeitig die indigene Herkunft zu verleugnen. Weiter geht es darum, welchen theologischen Stellenwert die Sozialpastoral in der Kirche hat sowie die Bedeutung des Begriffs Barmherzigkeit, der durch Papst Franziskus in das Zentrum kirchlicher Verkündigung und kirchlichen Handelns gerückt ist. Exemplarisch wird die Bedeutung von interkulturellen Diözesanpartnerschaften in ihrer Wechselseitigkeit für die Partner vorgestellt. Und nicht zuletzt wird die Frage behandelt, wie die anstehenden Strukturreformen in der deutschen Kirche durchgeführt werden müssten, damit der Dienst der Kirche für die Welt durch ihre pastorale Umkehr ausgezeichnet wird.

Dieses gut lesbare Buch besticht durch die Breite der angesprochenen Themen, die regionale wie globale Perspektive und die argumentative Ausgewogenheit der dargestellten Positionen. Die klare Option für eine Kirche der Laien und eine Kirche der Armen in der Spur des Papstes aus Lateinamerika ist dabei immer präsent.

Thomas Franz