Buchempfehlung "Handbuch psychiatrisches Grundwissen für die Seelsorge"

Jochen Sautermeister/Tobias Skuban (Hg.): Handbuch psychiatrisches Grundwissen für die Seelsorge, Freibrug i. Br. (Herder) 2018, 752 Seiten; ISBN 978-3-451-37799-0 ; 68,00 €.

Nicht immer haben Bücher einen genau passenden Titel. In diesem Fall – so viel sei schon vorweggenommen – passt der Titel hundertprozentig zu dem, was das Buch auch leistet: Es sollte in allen seelsorglichen Kontexten als wirkliches Handbuch in Griffweite stehen.

Die gemeinsame Adressatenschaft von Psychiatrie und Seelsorge wird in der Einführung des Buches folgendermaßen beschrieben: „Seelsorge und Psychiatrie richten sich an Menschen, vor allem verletzte Menschen, an Menschen in einer Krise“ (S. 9). In derartigen krisenhaften Situationen bedarf es großer Kompetenzen des Begleitens, Zuhörens und Ratgebens.

Der vorliegende Band verhilft zu einer Sensibilisierung und Kompetenzerweiterung, indem er in einem ersten allgemeinen Teil in Beiträgen ausgewiesener Fachexpertinnen und -experten zunächst unterschiedliche theologische Zugänge aufzeigt: Hierbei kommen neben Fragen der Lebensführung und dem Umgang mit Notfällen und Krisen auch biblische Bilder sowie Auseinandersetzungen mit Aspekten der Verwundbarkeit in den Blick. Ein weiterer Bereich widmet sich praktischen Zugängen wie der Klassifikation und Diagnose psychischer Erkrankungen; der Entstehung, der Verbreitung und den Folgen psychischer Erkrankungen; einem psychopharmakologischen Grundwissen; rechtlichen und auch kirchenrechtlichen Aspekten im Kontext psychischer Erkrankungen; Fragen der Stigmatisierung und der Krisenintervention sowie schließlich auch transkulturellen Aspekten von psychischen Erkrankungen.

Der zweite große Teil des Buchs schildert ganz unterschiedliche psychische Erkrankungen und Störungen. Das Panorama ist auch hier sehr weit und differenziert gewählt. Es reicht u.a. von Depressionen und affektiven Störungen über Suizidalität, Angsterkrankungen, Zwänge und Zwangsstörungen, Anpassungsstörungen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, Persönlichkeitsstörungen, Fragen von Traumatisierung und Missbrauch, Gewalterfahrung im Kindes- und Jugendalter, Aspekten der Intergeschlechtlichkeit bis hin zu Demenzerkrankungen, Erschöpfung und Burnout sowie spirituellen Krisen.

Die Beiträge zu den einzelnen psychischen Erkrankungen folgen jeweils einer klaren dreischrittigen Struktur: Nach Erläuterungen zur Symptomatik und zu Erklärungen werden Fragen der Diagnostik und Behandlung aufgegriffen. Jeder Artikel schließt mit konkreten Hinweisen und Empfehlungen für die Praxis der Seelsorge und Krisenbegleitung. Wichtige Kernaspekte sind im Text immer in grau hinterlegten Kästen gut aufzufinden, so dass ein schneller Einstieg und eine rasche Information stets sehr gut möglich sind. Hierbei hilft auch das sehr ausführliche und fein differenzierte Sachregister, das am Ende des Buches allein 15 Seiten umfasst, sowie das siebenseitige Glossar, das zentrale Begriffe knapp und kundig erläutert. An vielen Stellen finden sich zudem hilfreiche Fallbeispiele.

Jeder Beitrag dieses Buches schließt mit ausführlichen Literaturhinweisen – stets in drei Rubriken sortiert: Referenzliteratur, Literatur zur Einführung und Literatur zur Vertiefung.

Der von den Herausgebern in der Einleitung formulierte Wunsch, dass die Beschäftigung mit dem Buch dazu beitragen möge, „Seelsorgerinnen und Seelsorger [zu] befähigen, in den Turbulenzen psychischer Erkrankungen und Krisen nicht die Ruhe zu verlieren“ (S. 12), ist nach Ansicht des Rezensenten vollumfänglich in Erfüllung gegangen. Dieses Handbuch ist mehr als nur ein Kompass; es ist Anker, Rettungsboot und Leuchtturm zugleich. Wer Menschen hilfreich in unterschiedlichen Lebenssituationen begleiten will, darf hierauf nicht verzichten.  

Stefan Meyer-Ahlen