Buchbesprechung "Studiengang Theologie"

Empfehlenswerte Grundlagenbücher für das Neue Testament

Sabine Bieberstein, Jesus und die Evangelien, Neues Testament, Teil 1 (Studiengang Theologie Band II,1), Zürich (Theologischer Verlag) 2015, 385 Seiten; ISBN 978-3-290-20103-6; 35,90 €

Sabine Bieberstein/Daniel Kosch, Paulus und die Anfänge der Kirche, Neues Testament, Teil 2 (Studiengang Theologie Band II,2), Zürich (Theologischer Verlag) 2016, 380 Seiten; ISBN 978-3-290-20081-7; 35,90 €

Einleitungen zum Neuen Testament sind nicht gerade eine Seltenheit. Es braucht daher schon gute Gründe, den vielen Beiträgen zur neutestamentlichen Einführungsliteratur noch weitere hinzuzufügen. Die hier vorgestellten beiden Bücher sind Teil der 16-bändigen Buchreihe „Studiengang Theologie“, die sich einem Studienangebot des Theologisch-pastoralen Bildungsinstituts der deutschschweizerischen Bistümer in Zürich verdankt. Die Reihe orientiert sich am vertrauten Fächerkanon der Theologie und präsentiert die elementaren biblischen, systematischen und praktischen Themen auf dem Stand der aktuellen Fachdiskussion. Die zu besprechenden Bände wurden von Prof. Dr. Sabine Bieberstein (Exegese des Neuen Testaments und Biblische Didaktik, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Dr. Daniel Kosch (Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz) verfasst.

Jesus und die Evangelien

Der erste Band „Jesus und die Evangelien“ von Sabine Bieberstein gibt einen gelungenen Überblick über die vier kanonischen Evangelien und über Jesus von Nazaret. Zu Beginn legt Bieberstein das Verhältnis der vier Evangelien zueinander dar, die einerseits viele Gemeinsamkeiten aufweisen – insbesondere zwischen dem Markus-, Matthäus- und Lukasevangelien –, andererseits aber auch eigene Akzente in den Jesusdarstellungen setzen. Die Zweiquellentheorie wird anschließend als die plausibelste Theorie des Verhältnisses der drei genannten Evangelien zueinander präsentiert; auf den eigenständigen Charakter des Johannesevangeliums wird ebenfalls hingewiesen. Die Mehrstimmigkeit in den Evangelien lässt die Autorin zu einer überzeugenden und pointierten Schlussfolgerung kommen: „Das Neue Testament enthält nicht ein einziges und massgebliches Jesusbild, sondern lässt eine Vielzahl von Jesusbildern nebeneinander gelten, die sich zum Teil auf höchst produktive Weise ergänzen, zum Teil auch in Spannung zueinander stehen, miteinander konkurrieren oder einander korrigieren“ (S. 33). Der Hauptteil der Publikation ist den vier neutestamentlichen Evangelien, der sogenannten Spruchquelle Q und der Apostelgeschichte gewidmet. Dieser Teil besticht durch seine gut gegliederte Struktur; der einheitliche Blick auf Aufbau, Entstehungskontext und zentrale Themen erleichtert, die Schriften miteinander zu vergleichen und die thematischen Schwerpunkte zu entdecken. Dass zusätzlich einzelne Texte paradigmatisch ausgelegt werden, sensibilisiert dafür, dass es sich im Neuen Testament in erster Linie um literarische Texte handelt. Ein weiterer Schwerpunkt der Publikation thematisiert die Frage nach dem „historischen Jesus“. Auf der Grundlage der aktuellen Standardliteratur der Jesusforschung werden die Kriterien der historischen Rückfrage sowie die Neubewertung außerkanonischer Quellen dargestellt sowie die Reich Gottes-Botschaft als das zentrale Thema der jesuanischen Verkündigung treffend ausgemacht.

Paulus und die Anfänge der Kirche

Der zweite Band „Paulus und die Anfänge der Kirche“ von Sabine Bieberstein und Daniel Kosch ist dem Apostel Paulus und der ereignisreichen Zeit des frühen Christentums gewidmet. Zunächst werden in kompakter Weise die ersten frühchristlichen Anfänge von Jerusalem bis nach Antiochia sowie das Leben und das Werk des Völkermissionars Paulus gekonnt nachgezeichnet (beides Bieberstein). Die anschließenden Kapitel stellen in einer übersichtlichen und soliden Form die Schriften des Neuen Testaments in der kanonischen Reihenfolge vom Römerbrief bis zur Offenbarung des Johannes vor. Die Abhandlungen über den Römerbrief (Kosch) und die Korintherbriefe (Bieberstein) nehmen am meisten Raum ein. In etwas kürzerem Rahmen werden die übrigen paulinischen Briefe (Galaterbrief, Philipperbrief, Erster Thessalonicherbrief, Philemonbrief) und die pseudepigrafischen Paulusbriefe, die in der Tradition des Paulus verfasst wurden (Kolosserbrief, Epheserbrief, Zweiter Thessalonicherbrief, Pastoralbriefe) beleuchtet (Bieberstein). Die Betrachtungen über den Hebräerbrief und der Offenbarung des Johannes (beides Bieberstein) runden den Band ab. Besonders zu würdigen ist, dass alle Ausführungen über die genannten neutestamentlichen Schriften in den historischen Kontext der damaligen Zeit eingeordnet werden. So lässt sich etwa in Bezug auf die reiche Briefliteratur treffend aussagen: „Seine (sc. Paulus‘) Briefe sind als Teil eines vielstimmigen Gesprächs zu verstehen, in dem die Stimmen der anderen zwar nicht so deutlich erhalten sind wie die des Paulus, die aber dennoch wahrzunehmen sind und wieder hörbar gemacht werden müssen“ (S. 106). Demzufolge wird den Leserinnen und dem Leser vermittelt, die Texte des Neuen Testaments als situative Schriften wahrzunehmen, die durch eine fundierte Verortung und Kontextualisierung in der Zeit des 1. und 2. Jahrhunderts n.Chr. ihr sinnstiftendes und befreiendes Potential auch für heutige Zeiten entfalten können.

Die beiden Bände „Jesus und die Evangelien“ und „Paulus und die Anfänge der Kirche“ werden uneingeschränkt als lesenswert allen empfohlen, die einen ersten Überblick über die Schriften des Neuen Testaments und die Anfänge der frühen Kirche erhalten wollen. Diese zielstrebige Aufgabe lösen die Autoren in einer sprachlich gelungenen Form und überzeugen dabei mit ihrer hohen exegetischen Kompetenz sowie ihrer reichen bibelpastoralen Expertise. Solide und übersichtlich, ohne sich allzu sehr in wissenschaftlichen Details zu verlieren, wird der gegenwärtige Stand der deutschsprachigen exegetischen Forschung verständlich und in einer lebendigen Sprache dargelegt. Exkurse dienen dazu, Gedankengänge nachzuvollziehen bzw. den Horizont für alternative Deutungen zu eröffnen. Die ausführlichen Angaben zu aktueller Basisliteratur sind hilfreich und motivieren zum Weiterlesen und Vertiefen.

Marievonne Schöttner