Buchvorstellung „Christentum als Stil. Für ein zeitgemäßes Glaubensverständnis in Europa“

Christoph Theobald: Christentum als Stil. Für ein zeitgemäßes Glaubensverständnis in Europa, Freiburg / Basel / Wien (Herder) 2018, 363 Seiten; ISBN 978-3-451-34971-3; 38,00 €

Zu den derzeit am meisten diskutierten theologischen Büchern in Deutschland gehört sicher dieser Band des in Paris lehrenden deutschen Jesuiten Christoph Theobald. Die Zielsetzung der während einer Joseph-Ratzinger-Gastprofessor in Regensburg entwickelten Gedanken des Autors, die Theobald in seinen französischen Texten schon längere Zeit entfaltet, lassen sich am Untertitel leicht ablesen. Es geht um ein Verständnis des christlichen Glaubens, das in Europa an der Zeit ist.  Mit welchen denkerischen Vorgaben Theobald dies erreichen will, markiert der in deutschen Ohren etwas sperrig klingende Obertitel „Christentum als Stil“. Was will ein „stilistischer Ansatz“ in der Theologie? Theobald greift auf eine in Frankreich schon länger diskutierte „Philosophie des Stils“ zurück, deren drei Aspekte Singularität, Begegnung und Weltbezug darstellen. Wie durch die Anwendung dieser drei „stilistischen“ Merkmale ein zeitgemäßes Glaubensverständnis möglich wird, macht Theobald einerseits im Rückgriff auf das Zweite Vatikanische Konzil deutlich, dessen Texte er als Gesamtprogramm aus der Perspektive des pastoralen Prinzips neu liest. Andererseits zielt dieser stilistische Ansatz auf eine Kirche im Werden, die sich ihrer aktuellen Glaubwürdigkeitskrise wirklichskeitsbezogen stellt.

Klassische Themen der Fundamentaltheologie und Dogmatik werden unter stilistischen Vorzeichen neu interpretiert, indem von konkreten zeitgeschichtlichen Phänomenen, die theologisch den Charakter von „Zeichen der Zeit“ haben, wie der Glaubenskrise im Missionsland Europa (Kapitel 2), dem Religionspluralismus in religionsneutralen Gesellschaften (Kapitel 3 ), den ökologischen und transhumanistischen Herausforderungen (Kapitel 4), ausgegangen wird. „Methodisch beginnen wir jedes der fünf Kapitel mit einem ersten Blick auf unsere heutige Situation, ehe wir dann das Zukunftspotential des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich eines zeitgemäßen Glaubensverständnisses mit den heuristischen Möglichkeiten eines stilistischen Ansatzes konfrontieren. Im universitären Rahmen gehören solche Überlegungen zum Glaubensverständnis in die Fundamentaltheologie.“ (15)

Ein heutiges Glaubensverständnis muss sich nach Theobald an der singulären Existenzweise Jesu von Nazaret und seiner messianischen Reich-Gottes-Botschaft orientieren, versteht Glaube kommunikativ als ein Beziehungs- und Begegnungsgeschehen und unterstreicht die Weltverantwortung des Glaubens für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Zusammenfassend umschreibt Theobald dieses Glaubensverständnis mit dem Begriff der „heiligen Gastfreundschaft“. Jesu „heilige Gastfreundschaft“ bildet den Maßstab, mit dem der christliche Glaube seinen Beitrag für Europa leisten kann: 1. mit einer Theologie des Alltags, die den Lebensglauben der Menschen ernst nimmt in der Unterscheidung zu einem spezifisch christlichen Glauben; 2. mit einer politischen Theologie, die der gesellschaftlichen Relevanz von Religion Rechnung trägt, ohne ihre negativen Seite wie etwa das religiöse Gewaltpotential auszublenden und 3. mit einer Theologie der Auferstehung und der Schöpfung, die unsere Welt für zukünftige Generationen bewahrt.

Theobalds Ansatz impliziert einen missionarischen Grundton, der nicht nur den zeitgemäßen Stil des christlichen Glaubens als gastfreundlich aufweist, sondern der auch darauf hinweist, „dass Europa, trotz mancher mikroklimatischer christkatholischer Bedingungen Missionsland geworden ist, in dem wir Christen – wie die ersten Anhänger des jüdischen Messias Jesus – für unseren Glauben um Gastfreundschaft werben müssen.“ (277)

Dieses Buch ist anstrengend – aufgrund der Verknüpfung vielfältiger Fragestellungen – und inspirierend – aufgrund der ungewöhnlichen Perspektiven – zugleich. Wer für den christlichen Glauben eine Zukunft erhofft, findet darin gute Argumente.

Thomas Franz