Mein Weg mit Theologie im Fernkurs

Berufs- und Ausbildungsweg

Dieser verlief in meinem Falle nicht ganz auf dem direkten Wege, jedoch stets in gewisser Weise bergauf.

1976 geboren und von Geburt an blind, begann ich meine Schullaufbahn in einer Zeit, wo gängige Blindenberufe noch weitaus mehr verbreitet waren als heute und der Weg vorgezeichnet zu sein schien: Telefonist, Schreibkraft in einem Amt oder einer Behörde, vielleicht Masseur oder Physiotherapeut oder eventuell Musiker. Blinde Akademiker (vor allem Juristen) gab es, sie waren aber eher die Ausnahme und mussten mit viel größerer Vehemenz alles andere ablehnen. Die Abiturienten- und Studierendenquote bei jungen Menschen, die einfach nur blind waren und keine weitere Behinderung hatten, betrug einen Bruchteil im Vergleich zu sehenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

So ging ich den damals üblichen Weg: Die Realschule in Bayern war seinerzeit noch 4-stufig (ab der 7. Jahrgangsstufe). Obwohl der Notendurchschnitt jederzeit fürs Gymnasium gereicht hätte, schloss ich zunächst die Realschule ab und entschloss mich nach einer anschließenden einjährigen Ausbildung in der Berufsfachschule für Bürokommunikation (= Ausbildung im Schnelldurchlauf, Abschluss mit Auszeichnung) dann doch nicht zur Kirchenmusikerlaufbahn. Das Interesse vor allem an Sprachen, Geschichte und Gesellschaftsfragen erwies sich doch als so groß, dass ich die Hochschulreife erlangen und ein philologisches Fach studieren wollte. So wechselte ich an ein reguläres Münchner Gymnasium (keine Blindenschule mehr). Diesen Schritt tat ich, wie ich auch im Rückblick überzeugt bin, zum richtigen Zeitpunkt. Die Spezialeinrichtung für Blinde gab mir Arbeitstechniken, Selbstbewusstsein und zugleich die großartige Erfahrung der Peer Group, ohne die ich in der – wie man heute gern euphorisch sagt – Inklusion vielleicht ein Einzelkämpfer mit viel Frustrationserfahrung geworden wäre. Die Abiturprüfungen, damals wie üblich in vier Fächern, absolvierte ich mit Hilfe stets aktueller Informationstechnik; so war der direkte schriftliche Austausch mit den Lehrkräften stets möglich, Korrekturen und andere Rückmeldungen erhielt ich wie meine Mitschüler, nur eben bereits damals (1995–1999) digital. Die Konzentration auf Textverarbeitung und Internetdienste, die ich – im Gegensatz zu den Mitschülern – bereits von der Ausbildung an der Blindenschule her gut kannte und intensiv nutzte, half mir so im Umgang mit den am Gymnasium zu bewältigenden Aufgaben. Blindheitsbedingte Nachteile versuchte ich so möglichst vollständig durch intensive Nutzung neuer Medien und Techniken zu kompensieren.

1999–2004 studierte ich Slavische Philologie als Hauptfach mit den Nebenfächern Geschichte Osteuropas und Südosteuropas sowie Politikwissenschaft in München, Sarajevo und Prag. Im Gegensatz zu vielen Kommilitonen mit Behinderung hatte ich keine feste Assistenzkraft (fürs Vorlesen handschriftlicher Texte u. a.), sondern war im Sinn von Geben und Nehmen gern Teil eines Lernteams. Benötigte ich technische Unterstützung bei visuell dominierten Lerninhalten, so half ich mit IT-Kenntnissen, Korrekturlesen und Layout von Hausarbeiten sowie Hilfe beim Lernen bzw. Finden von Lernstrategien, was mir gemäß dem Motto „docendo discimus“ ja auch selbst half.

Auch die Promotion zum Dr. phil. brachte viele interessante Erkenntnisse, es handelte sich dabei um Pionierarbeit bei einem sprachgeschichtlichen Thema.

Zwar konnte ich seither nicht unmittelbar die im Slavistikstudium erworbenen inhaltlichen Kenntnisse beruflich verwerten, wohl aber machen sich Methoden und Lernstrategien bezahlt. 2010–2013 arbeitete ich an einem beruflichen Schulzentrum für blinde und sehbehinderte Jugendliche und junge Erwachsene als IT-Trainer. Seit 2013 bin ich beim Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund im verbandseigenen Medienzentrum beschäftigt. Beratung in IT-Fragen, Aufbereitung von Texten für die Veröffentlichung in Blindenschrift sowie barrierefreien digitalen Formaten gehören zu meinen Haupttätigkeiten.

Konkreter Anlass für das Theologiestudium im Fernkurs war der Wunsch, mich zum Ständigen Diakon ausbilden und weihen zu lassen.

Leistungen während des Studiengangs

Bisher absolvierte ich zwei der von „Theologie im Fernkurs“ angebotenen Kurse: den Grundkurs Theologie sowie den Aufbaukurs Theologie. Derzeit bin ich im Diakonatspraktikum und studiere daher die Lehrbriefe des Pastoraltheologischen Kurses, dessen Inhalte ins Praktikum einfließen sollen.

Die Lehrbriefe wurden mir ohne jegliche Schwierigkeiten oder Bedenken als PDF-Dateien zur Verfügung gestellt, so entfiel das sonst nötige zeitaufwändige Erfassen über einen Scanner. Lesen kann ich diese Lehrbriefe (wie alles Digitale) dann mit der Braillezeile, einem tastbaren Display.

Neben den wahrzunehmenden Präsenzterminen (zwei Studienwochenenden und zwei Studienwochen) absolvierte ich die mündliche (beim Aufbaukurs auch schriftliche) Prüfung und reichte gemäß inhaltlichen und formalen Kriterien je eine Hausarbeit ein.

Ich konnte mit allen, an mich gestellten Herausforderungen sehr gut umgehen, da ich neben der ungeminderten Lust auf Theologie eine weitere wichtige Eigenschaft in mein Fernstudium mit einbringen konnte: Das langjährige Lernen des Lernens. Seit vielen Jahren setze ich mich wissenschaftlich mit Themen auseinander und musste immer wieder geeignete Methoden zum effektiven Erschließen neuer Lerninhalte in kurzen Zeiträumen einsetzen, sei es privat oder auch beruflich.

Hinzu kommt jedoch als entscheidender Faktor, dass die von „Theologie im Fernkurs“ dargebotenen Materialien Lust auf Lernen machen: Didaktisch durchdacht, klar gegliedert, mit hilfreichen Elementen wie detailliertem Inhaltsverzeichnis, Zwischenüberschriften, Marginalien usw. versehen, wird die Erarbeitung auch größerer Mengen an Lernstoff wesentlich erleichtert. Begleitzirkel (= lokale Lernteams) helfen bei Bedarf ebenfalls; bei den Fernkurs-Studien zog ich jedoch individuelles Lernen vor, nicht zuletzt wegen meiner zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten und damit verbundenen Reisen passte dies so besser zu meinem Lernrhythmus.

Veränderungen nach dem Abschluss

Formal ist mit Abschluss des Grund- und Aufbaukurses die Voraussetzung auf dem weiteren Ausbildungsweg im kirchlichen Dienst erfüllt, der Pastoraltheologische Kurs wird noch abzuschließen sein. Aufgrund der erbrachten Leistungen erhoffe ich mir die Möglichkeit, auch wissenschaftlich zu arbeiten (auch wenn ich den Hochschulabschluss nicht in der Theologie erworben habe).

Beruflich ist die Verwertbarkeit des Fernstudiums eher wieder als indirekt zu bezeichnen: Ich habe mit dem erfolgreichen Abschluss der bisher absolvierten theologischen Kurse die Kompetenz fortentwickelt, mich in neue komplexe Themenfelder einzuarbeiten und daraufhin dann neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten übernehmen zu können. Ich freue mich darauf, wenn neue Aufgaben als weitere Herausforderungen zukünftig mich erwarten.

Es zeigt sich damit, dass es sich wirklich lohnt, auch geistig in Bewegung zu bleiben und dass Ausdauer und Kondition, wie beim Sport, auch beim Lernen Eigenschaften sind, die sich zu einem gewissen Grade trainieren lassen.

 

Aleksander Pavkovic