Unterwegs im Zeitalter der Synodalität

Synodale Semantiken

Abenteuer, Frustration oder Hoffnung? Das sind Assoziationen, die in Gesprächskontexten von synodalen Prozessen fallen – und diese sind auf dem Erdball derzeit zahlreich vertreten. Die Weltkirche ist im Aufbruch. Die Weltkirche, das ist das engagierte Volk Gottes auf allen Kontinenten der Erde. In fast allen Ortskirchen ist man gemeinsam unterwegs, betend, beratend, ringend, fragend und zuversichtlich. Lange Zeit hat man innerhalb wie außerhalb der Landesgrenzen zweifelnd und ängstlich auf den Synodalen Weg in Deutschland geblickt, weil die Sorge vor möglichen Reformen zu groß, der Mut zur Umkehr sowie das Maß an kreativer Erneuerung der Kirche zu klein schien. Mittlerweile trifft die öffentliche Kritik auch andere synodale Neuanfänge. Am Ende bleibt die Frage: Auf welche Weise kann das Licht des Evangeliums wieder leuchten, das vom Machtmissbrauch und von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche verdunkelt wird?

Synodale Hoffnungslichter

Für zahlreiche Gläubige ist der Synodale Weg in Deutschland ein Hoffnungslicht. Das Wort Gläubige ist dabei in Deutschland wie selbstverständlich mit Geweihten und Laien besetzt. Dafür hat vor allem die einzigartige und langjährige Zusammenarbeit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gesorgt. Das Miteinander von Laien und Bischöfen an der Doppelspitze der Synodalforen oder in den Beratungen und Diskussionen während der Versammlungen sind inzwischen selbstredend – der Dialog auf Augenhöhe gehört zu den konstitutiven Säulen, auf denen der geistliche Reformprozess fußt.

Synodalität hingegen ist ein Wort, an das es sich noch immer heranzutasten gilt. Seine Bedeutung gründet in einer unverzichtbaren Haltung des menschlichen Miteinanders und des Zueinanders der kirchlichen Bezeugungsinstanzen (d.h. die Heilige Schrift, kirchliche Lehre, wissenschaftliche Theologie, Glaubenssinn der Getauften, Zeichen der Zeit), die aber noch nicht ganz von verantwortlichen Personen in den Diözesanstrukturen bis in die Gemeinden hineingetragen und erprobt worden ist. Orden jedoch erleben mit der Forderung nach synodaler Partizipation und Integration von Menschen und Inhalten ein Revival ihrer eigenen Tradition. Letztlich gehört Synodalität zum Wesen der Kirche, deren Wurzeln sich auf das Urchristentum zurückführen lassen.

Synodale Wegweisungen

Das ist nicht zuletzt der Anlass für Papst Franziskus gewesen, den Akzent auf das Zuhören und die Unterscheidung der Geister zu legen. Er wagt es, von der Freiheit des Glaubens zu träumen, die alt und jung verbindet und wieder neu zu Jesus Christus und seiner Kirche führt. Er setzt bei den Armen und an den Rand Gedrängten an, folgt dem radikal jesuanischen Prinzip der Feindes- und Nächstenliebe und versucht die Menschlichkeit der Menschheit neu ins Zentrum der Weltkirche zu rücken. Aus lokalen Unterscheidungsprozessen, die auch zu Entscheidungen für pastorale Fragen führen können, entsteht das Weltprojekt Synode für alle und mit allen, die wollen. Mit der Einberufung der Weltsynode markiert Papst Franziskus eine Wende, die zukunftsweisend sein kann, wenn sie ernsthaft auf allen Ebenen gelebt wir. Franziskus setzt genauso wie z.B. die Mitglieder der Synodalversammlung in Deutschland, die Teilnehmenden an der Kirchenversammlung in Lateinamerika und der Karibik (Asamblea Eclesial) oder das Steuerungskommittee der kürzlich angestoßenen pastoralen Reformideen Irlands (Synodal Pathway) – um nur einige der laufenden Reformprozesse zu nennen – das Vertrauen in die Glaubenskraft des ganzen Volkes Gottes. Jede Person wird ernst genommen – auch diejenigen, die sich von der Kirche entfernt haben. Mit dem vielschichtigen Weltsynodenprozess wird aber auch deutlich, dass Synodalität nicht nur innerhalb der eigenen Ortskirche oder einem national abgesteckten Territorium existieren kann, sondern ihre Tragfähigkeit erst durch das Mitwirken aller ortskirchlichen Verantwortungsgemeinschaften global ausgefaltet wird. Es braucht die Pflege der bestehenden internationalen Kontakte ebenso wie das Kreieren neuer Kooperationen und Netzwerke. Viele davon werden bereits genutzt, was wiederum sehr wichtig ist für die Kommunikation des Synodalen Weges. Sie setzt Synergien frei, weil die Transformationsprozesse in der unam sanctam catholicam et apostolicam eccclesiam vielerorts als das „Zeichen der Zeit“ schlechthin erkannt werden.

Synodale Impressionen aus Kontinenten und Ländern der Welt

Gemeinsam unterwegs, gemeinsam Missionarinnen und Missionare des Glaubens zu sein, das ist der Sendungsauftrag aus dem Evangelium Jesu Christi, der beispielsweise in Lateinamerika neuen Aufschwung erfährt. Der Kontinent, der auf eine lange synodale Tradition zurückblicken kann, hat 2021 erstmalig die Erfahrung einer hybriden kirchlichen Versammlung (Asamblea Ecclesial) in Mexiko gemacht. Die Resonanz ist durchweg positiv: über 70.000 Menschen aus diversen Alters- und Geschlechtsgruppen haben an dem zweijährigen Vorprozess (Proceso de Escucha) teilgenommen. Das mag in Anbetracht der ca. 425 Millionen dort lebenden katholisch Getauften noch nicht bahnbrechend klingen, ist jedoch im Hinblick auf die Umstände der Coronapandemie und ihrer für die meisten Länder des Kontinents gravierenden Konsequenzen beachtlich. Eine der wichtigsten Beobachtungen ist, dass Klerikalismus ein Hindernis für eine synodale Kirche darstellt. Auch die Rolle der Frau müsse in dem Zusammenhang einer geschwisterlichen Kirche gerechter und partizipativer ausformuliert werden, um Machtasymmetrien präventiv entgegenzuwirken und auch künftig zu vermeiden.

Gerade die Thematik der Teilhabe von Frauen in den Ämterstrukturen der Kirche zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatten, die in fast allen Kontinenten stattfinden – eben nicht nur in Deutschland. In Sydney beispielsweise wäre es zu einem tiefen Graben zwischen den australischen Bischöfen und engagierten Laien auf dem Plenarkonzil (Plenary Council) im Juli 2022 gekommen, wenn sich die Bischöfe nicht im Nachgang darauf geeinigt hätten, wenigstens den Diakonat für Frauen zu erwähnen. Bedenkt man, dass Laien und insbesondere Frauen zahlenmäßig unterrepräsentiert waren, ist damit ein Pfad gebahnt, der für weitere Schritte auf der Weltsynode sorgen kann. Es ist auffallend, dass in Australien Konsultationsprozesse mit einer starken Sensibilität für die internationale Dimension der kirchlichen Erneuerung „von unten“ geführt werden.

Von der Basis ausgehen – das versuchen v.a. ehrenamtlich Motivierte in großen und kleinen Zusammenkünften auf der ganzen Welt. Wenn es aber in eher patriarchal geprägten Gebieten, so wie in Polen, geschieht, führt dies zu positivem Erstaunen. In den meisten osteuropäischen Ländern werden Treffen zu „synodalen Themen“ von Klerikern organisiert, die sich dann mit Hilfe des vom Vatikan veröffentlichten Vademecums zur Weltsynode entlangarbeiten. Diese Form der Treffen ist meist vom Priester oder Diakon vor Ort moderiert und gesteuert. Es gibt wenig Möglichkeiten, die eigenen Gedanken offenzulegen, wenn Angst vor Glaubensabfall, Sanktionen oder das Bewusstsein von der Kontrolle der Geistlichen die Themen bestimmen.

Trotzdem – oder gerade deswegen – lohnt es sich, immer gemeinsam über eine synodale Kirche nachzudenken. Das Engagement vieler Ortskirchen ist – oft trotz mangelnder Ressourcen – enorm. In Kooperation mit dem Hilfswerk Renovabis ist es dem Synodalpräsidium gelungen, das Interesse von über 150 Menschen aus osteuropäischen Ländern zu gewinnen, die sich in einem Webinar über die Themen des Synodalen Weges austauschten. Es geht bei solchen Plattformen aber nicht „nur“ um Aufklärungsarbeit, sondern es findet durch den Informationsaustausch ein reziprokes Lernen statt, bei dem auch Vorurteile abgebaut werden. Seitens der Mitglieder der Synodalversammlung versteht man es, stets zu begründen, dass es sich beim Synodalen Weg um keinen Sonderweg handelt. Von unseren osteuropäischen Geschwistern wiederum können wir lernen, den Schatz der Sakramente wieder neu zu reflektieren. Gleichzeitig lehrt beispielsweise die vor Kurzem ins Leben gerufene Initiative „Kongres Katoliczek i Katolików“ (Eine von Katholikinnen und Katholiken gegründete Organisation), dass es auch in Polen selbst den Wunsch nach Veränderungen in der Evangelisierung, in Bereichen der Pastoral sowie im Zusammenleben von Kirche und Gesellschaft gibt. Es zeichnet sich ab, dass Vernetzung und gemeinsame Projekte auf allen Seiten zu wachsen beginnen. Obgleich gerne von „der“ Weltkirche gesprochen wird, wird oftmals verkannt, dass sie dank der Vielfalt der Ortskirchen lebendig ist. Die Einheit der Kirche ist geprägt von Vielheit und Vielfalt.

In großer Wertschätzung gegenüber der Entschiedenheit und dem Verantwortungsbewusstsein der Mitglieder des Synodalen Weges lässt sich erkennen, dass der Weg der Kirche immer wieder neu zu erbeten und zu erringen ist – stets unter der Führung des Heiligen Geistes. Aus internationaler Sicht lässt sich zweifelsohne feststellen, dass das Zeitalter der Synodalität angebrochen ist.

Miriam Pawlak ist seit Januar 2021 als Referentin im Büro „Der Synodale Weg“ zuständig für die internationale Arbeit des Synodalen Weges. Zusammen mit ihrer Kollegin Teresa Hohmann hat sie maßgeblich an der Sonderpublikation aus dem Herder-Verlag „Weltkirche im Aufbruch – Synodale Wege“ gearbeitet. Die Publikation gibt einen Überblick über verschiedene synodale Prozesse aus erster Hand. Die Publikation kann entweder direkt beim Verlag bestellt werden unter https://www.herder.de/hk/hefte/thema/weltkirche-im-aufbruch-synodale-wege/ oder als englische und italienische PDF-Version kostenfrei heruntergeladen werden auf der Homepage des Synodalen Weges https://www.synodalerweg.de/materialien#c7335 .