Buchempfehlung Bernhard Körner „Orte des Glaubens“

Bernhard Körner: Orte des Glaubens – loci theologici. Studien zur theologischen Erkenntnislehre, Würzburg (Echter) 2014, 265 Seiten; ISBN 978-3-429-03752-9; 24,80 €.    

Theologie versteht sich als Wissenschaft des Glaubens. Daher ist sie selbst in der Pflicht zu klären, wie sie zu ihren Erkenntnissen kommt und welchen Verbindlichkeitsstatus diese haben. Die für die neuzeitliche Theologie nachhaltige Systematisierung dieser Fragestellungen hat erstmals der spanische Dominikaner Melchior Cano (gest. 1560) in seinem Werk „De locis theologicis“, das 1563 publiziert wurde, vorgelegt. Das seit einiger Zeit erwachte Interesse an einer theologischen Erkenntnislehre führt zu einer Wiederentdeckung dieses Werks, das nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit dem Ende der Neuscholastik als theologischem Leitdiskurs in den Kellerarchiven der Wissenschaftsgeschichte endgültig abgelegt schien.  

Ein wichtiger Protagonist der Wiederentdeckung Melchior Canos ist der Grazer Dogmatiker Bernhard Körner, der 2014 mit dem Buch „Orte des Glaubens – loci theologici“ eine theologische Erkenntnislehre in der Breite skizziert, mit der nicht nur an Melchior Cano angeknüpft wird, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des Glaubens und der Theologie unter den Bedingungen unserer Zeit fruchtbar gemacht werden soll. Diese Zielsetzung positioniert Körner bereits in seiner Einführung unter dem Motto „Gott einen Ort sichern“.  

Körner unterscheidet mit dem Begriff Orte des Glaubens (1.) Orte der Glaubenserfahrung, (2.) Orte der Glaubensbezeugung und (3.) Orte des Glaubensverständnisses und der Glaubensbewährung. Es geht Körner darum, die Bedeutung der Orte des Glaubens bzw. der loci theologici nicht nur für die Glaubenswissenschaft, sondern auch für die alltägliche Glaubenserkenntnis fruchtbar zu machen. Für eine Verortung des Glaubens wie der Theologie spielen daher nicht nur die bekannten Instanzen wie Schrift und Tradition, Lehramt und Theologie, sondern auch die „fremden Orte“, die bereits bei Cano als „loci alieni“ eingeführt sind, eine große Rolle.  

In fünf Kapiteln wird eine umfassende Erkenntnislehre entfaltet. Ausgehend von der Bedeutung des Lokalen, das in den zeitgenössischen kulturwissenschaftlichen Debatten eingehend thematisiert wird, fasst Körner das Christentum als eine „Topographie von Glaubensorten“. Die Vielfalt der Glaubensorte ist Gegenstand des zweiten Kapitels, bevor dann die klassische Lehre von den loci theologici , in der die Orte zu Argumenten werden, ausgehend von Melchior Cano, verdeutlicht werden. Für die Zukunftsfähigkeit der theologischen Erkenntnislehre stellt sich Körner im vierten Kapitel die Fragen: Welche Orte braucht es?; Wie ist deren Zusammenspiel geregelt?; Welches Gewicht kommt den einzelnen Orten zu? und Welches Verständnis ergibt sich aus den einzelnen Orten? Abschließend werden im fünften Kapitel die „neuralgischen Punkte“ im Zusammenspiel der vielfältigen Glaubensorte behandelt.  

Körner plädiert am Ende dieses Buches für „eine bescheidene und nicht selbstbezogene Theologie“. Sein Anliegen und die Zielsetzung einer theologischen Erkenntnislehrte lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Im Bereich des Glaubens und damit auch der Glaubensorte einschließlich des Lehramtes gibt es keine beschreibende und auch keine wissenschaftliche Sprache, deren Aussagen man nicht relativieren könnte. Das ist ein Faktum, das in der theologischen Diskussion zuhauf belegt wird. Wenn es um den Geltungsanspruch des Glaubens geht, ist nicht die Theologie als Theologie, sondern sind – auch in der Theologie – Zeuginnen und Zeugen entscheidend, die sich durch ihren Glauben mit den Aussagen des Glaubens identifizieren." (248)   

Die Ausgewogenheit dieses Buches, das sich allen polarisierenden Klischees entzieht, ist beeindruckend; seine Lesbarkeit und Verständlichkeit überzeugt. Wer sich für die theologische Erkenntnislehre und damit die spannende Zuordnung von Glaube und Theologie jenseits kurzlebiger intellektueller Moden interessiert, kommt eigentlich an diesem Buch nicht vorbei.    

Thomas Franz